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Der Ölhändler und die Blumenkönigin

Der Ölhändler und die Blumenkönigin

Titel: Der Ölhändler und die Blumenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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heilige Stätte zu reinigen. Als er damit fertig war, ließ er die Opfergeräte ins Boot tragen, während er selbst bei dem schönen Wetter den Heimweg zu Fuß antreten wollte. Sein Weg mußte ihn an der Stelle vorbeiführen, wo das unglückliche Mädchen lag.
    Als er plötzlich eine weinende Stimme hörte, sprang er schnell vorwärts, und wer beschreibtsein Erstaunen, da er Meï-Niáng sah, deren herrliche Schönheit und blumenzarte Gestalt auch trotz ihres zerzausten Haares und beschmutzten Gesichtes erkennen ließ, daß sie immer noch ohnegleichen dastand! Wie hätte er dieses Gesicht nicht wiedererkennen sollen! Ganz bestürzt rief er aus: »Blumenkönigin, wie kommen Sie hierher, – in diese Lage?«
    Da Meï-Niáng, während sie bitterlich weinte, auf einmal eine ihr bekannte, liebe Stimme vernahm, hörte sie zu weinen auf und sah zu ihrer großen Freude, daß es gerade ihr bescheidener Freund von damals, der junge Tjin war, der so aufmerksam verstanden, ihre Gedanken zu erraten und stets gewußt hatte, was ihr angenehm war!
    In dieser Lage sah sie ihn wie einen Verwandten an. Ohne daß ihr klar wurde, was sie sprach, schüttete sie ihm ihr ganzes Herz aus, sich zugleich auch Luft machend in ihrem Zorn gegen den Schändlichen.
    Dschu-Dschung war aufs äußerste ergriffen, und um sie vergossene Tränen rannen seine gebräunten Wangen herab. Er trug stets im Ärmel ein weißseidenes Schweißtuch, das ungefähr fünf Fuß lang war. Das nahm er heraus, schnitt esin zwei Teile und reichte sie ihr, schon auseinandergefaltet, hin, damit sie ihre Füße hineinwickle. Darauf wischte er ihr mit eigener Hand die Tränen aus dem blassen Gesichtchen, ordnete ihr-seidenweiches Haar und tröstete sie ein über das andere Mal mit liebevollen Worten. Als sie mit dem Weinen aufgehört hatte, lief er eilends um eine geheizte Sänfte und bat Meï-Niáng, darin Platz zu nehmen. Er selbst ging zu Fuß hinterher, bis der kleine Zug bei Frau Wang anlangte.
    Inzwischen hatte Wang Djiú-Ma, als sie ihre Tochter gar nicht zurückbekam, in heller Aufregung nach allen vier Himmelsrichtungen hin Nachforschungen über ihren Verbleib angestellt. Da sah sie auf einmal eine Sänfte, welche Tjin-Dschung begleitete, auf ihr Haus zukommen, und es war ihr, als ob er ihr eine in der Nacht leuchtende Perle zurückbrächte; so freute sie sich!
    Außerdem hatte aber die Bordellwirtin Tjin-Dschung schon lange Zeit nicht mehr mit Öl vor ihre Tür kommen sehen, und es war ihr ferner bereits bekannt, daß er das Ölgeschäft des alten Dschu übernommen hatte. Hände, Kopf und Gesicht waren – wie sie sofort bemerkthatte – viel gepflegter; auch seine Manieren waren ungezwungener und feiner geworden als früher.
    Natürlich sah sie ihn jetzt mit anderen Augen an und behandelte ihn dementsprechend. –
    Als ihr Blick dann auf das Mädchen fiel; welches so übel zugerichtet war, fragte sie fassungslos, was es damit für eine Bewandtnis hätte.
    Und so erfuhr sie denn, daß dem Mädchen so bitteres Leid widerfahren war, und wie Tjin-Dschung sie gerettet hatte.
    Sie drückte ihm also durch tiefe Verbeugungen ihre Dankbarkeit aus und ließ ein Weinmahl anrichten, das sie ihm zu Ehren geben wollte. Die Sonne neigte sich schon stark nach Westen, als Dschu-Dschung nach einigen Bechern Wein aufstand und sich verabschieden wollte.
    Wie aber hätte Meï-Niáng ihn heute weglassen wollen!
    »Ich habe mich schon so lange nach Ihnen gesehnt«, bat sie. »Leider konnten wir uns nicht wiedersehen. Heute aber lasse ich Sie bestimmt nicht leer ausgehen.« Und da nun auch die Bordellwirtin kam, ihn mit aller Gewalt festhalten zu helfen, blieb er und blieb nur viel zu gern, in freudiger Erregung über die – wie erfühlte – wohl baldige Erfüllung einer heimlichen Hoffnung, die er fast schon aufgegeben hatte.
    An diesem Abend blies Meï-Niáng die Flöte und spielte auf der Zither, sie sang und tanzte und bot alles auf, was sie konnte, um Tjin-Dschung ihre Erkenntlichkeit auszudrücken. Der gute Junge selber kam sich vor wie ein umherschweifender Genius, der einen schönen Traum träumte, und seine Seele löste sich ganz in nie gekannten Wonnen.
    Wie in Ekstase bewegte er seine Hände und Füße nach dem Rhythmus der Lieder oder des Tanzes. Nachdem man so bis spät in die Nacht beim Weine gesessen, begaben sich die beiden glücklichen Menschen, eng aneinandergedrückt, zur Ruhe. Und was im verschwiegenen Zimmer geschah, die Schönheit und volle Seligkeit der Stunden, die

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