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Der Oligarch

Der Oligarch

Titel: Der Oligarch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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er nur bekommen, wenn er auspackte. Sonst würde Gabriel zulassen, dass die noch in Hüfte und Schulter sitzenden Kugeln sein Blut vergifteten. Ein solcher Tod würde langsam, fiebrig und schmerzhaft sein. Aber Petrow hatte ihn verdient, und Gabriel war durchaus bereit, ihm diesen Lohn zu gewähren. Er ging neben dem Russen in die Hocke und sprach ihn auf Deutsch an.
    »Der gehört Ihnen, glaube ich.«
    Er griff in die Jackentasche und zog den kleinen Plastikbeutel heraus, den Navot ihm vor der deutschen Grenze gegeben hatte. Gabriel nahm den Ring heraus und drückte fest auf den Stein. Aus der Fassung trat eine kleine Nadel hervor – dünner und kürzer als eine Grammofonnadel. Gabriel begutachtete sie eingehend, dann tat er plötzlich so, als wollte er sie Petrow ins Gesicht stechen. Der Russe wich erschrocken zurück und warf den Kopf heftig nach rechts.
    »Was haben Sie, Anton Fedorowitsch? Das ist doch nur ein Ring.«
    Gabriel brachte die Nadel langsam näher an Petrows verwundbaren Hals heran. Der Russe wand sich vor Entsetzen. Als Gabriel nochmals auf den Stein drückte, verschwand die Nadel wieder. Er ließ den Ring in den Plastikbeutel fallen und gab ihn vorsichtig Navot zurück.
    »Es wird Sie nicht überraschen, dass wir an der Entwicklung einer ähnlichen Waffe gearbeitet haben. Aber ich will Ihnen ehrlich sagen, dass ich mir nie viel aus Giften gemacht habe. Die sind was für schäbige Gangster wie Sie, Anton Fedorowitsch. Ich habe es immer vorgezogen, meine Aufträge mit einer von diesen auszuführen.«
    Gabriel zog die Glock Kaliber 45 aus seinem Hosenbund und zielte damit in Petrows Gesicht. Der Schalldämpfer war nicht mehr angeschraubt. Hier war er nicht nötig.
    »Aus einem Meter Abstand, Anton Fedorowitsch. So erledige ich meine Opfer am liebsten. Aus einem Meter, damit ich meinem Feind in die Augen sehen kann, wenn er stirbt. Wyschaja mera – die höchste Form der Bestrafung.« Gabriel setzte dem Russen die Mündung der Waffe unters Kinn. »Ein anonymes Grab. Ein Leichnam ohne Gesicht.«
    Gabriel schob mit dem Pistolenlauf Petrows aufgeknöpftes Hemd zur Seite. Die Schulterwunde sah nicht gut aus: Knochensplitter, Gewebefasern. Die Hüfte war bestimmt ebenso schlimm zugerichtet. Gabriel schob den Stoff wieder zurück und sah Petrow in die Augen.
    »Sie sind hier, weil Ihr Freund Wladimir Tschernow Sie verraten hat. Wir haben ihm nichts antun müssen. Im Grunde mussten wir ihm nicht einmal drohen. Wir haben ihm nur etwas Geld geboten, und er hat uns alles erzählt, was wir wissen wollten. Jetzt sind Sie an der Reihe, Anton Fedorowitsch. Wenn Sie reden, werden Sie ärztlich versorgt und human behandelt. Wenn Sie das nicht tun …«
    Gabriel drückte die Glock an Petrows Schulter und bohrte ihre Mündung in die Wunde. Die Schreie des Russen hallten von den Kellerwänden wider. Gabriel hörte auf, bevor Petrow das Bewusstsein verlor.
    »Verstehen wir uns, Anton Fedorowitsch?«
    Der Russe nickte.
    »Wenn ich Ihre Gegenwart noch länger ertragen müsste, würde ich Sie vielleicht mit bloßen Händen erwürgen.« Er sah zu Navot hinüber. »Deshalb werde ich das Verhör meinem Freund überlassen. Da Sie in Zürich versucht haben, ihn mit Ihrem Ring zu erledigen, erscheint mir das nur fair. Finden Sie nicht auch, Anton Fedorowitsch?«
    Der Russe schwieg.
    Gabriel stand auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Kellerraum. Die übrigen Teammitglieder waren in unterschiedlichen Stadien der Erschöpfung und hatten sich im Wohnzimmer verteilt. Gabriel sah, dass der Arzt, den der King Saul Boulevard geschickt hatte, damit er Petrows Schusswunden behandelte, eingetroffen war. Im Jargon des Diensts war er ein Sajan, ein freiwilliger Helfer. Gabriel kannte ihn. Er war ein Pariser Jude, der ihn einmal wegen einer tiefen Schnittwunde in der Hand behandelt hatte.
    »Wie geht es dem Patienten?«, fragte der Arzt auf Französisch.
    »Er ist kein Patient«, antwortete Gabriel in derselben Sprache. »Er ist ein KGB-Gangster.«
    »Trotzdem ist er ein Mensch.«
    »An Ihrer Stelle würde ich darüber erst urteilen, wenn Sie ihn selbst kennengelernt haben.«
    »Wann kann ich das?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Beschreiben Sie mir seine Verletzungen.«
    Das tat Gabriel.
    »Wann ist er angeschossen worden?«
    Gabriel sah auf seine Uhr. »Vor fast acht Stunden.«
    »Die Geschosse müssen heraus. Sonst …«
    »Sie kommen heraus, wenn ich sage, dass sie herauskommen.«
    »Ich habe einen Eid geleistet, Monsieur. Ich denke

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