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Der Olivenhain

Der Olivenhain

Titel: Der Olivenhain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Miller Santo
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eigene Tochter zuvorgekommen. Deb war vor einer lebenslangen Haftstrafe davongelaufen und hatte Calliope damit das Verlangen genommen, selbst davonzulaufen, was jedoch nichts daran änderte, dass Kidron für sie der gleiche Käfig war wie damals. Damals, als sie mit zweiundzwanzig Jahren eingegipst und in einem Rollstuhl in Annas Haus geschoben und im vorderen Wohnzimmer auf ein Bett gesetzt worden war, das Frank nach unten gebracht hatte, damit sie auf die Olivenbäume blicken konnte, während sie sich erholte.
    Ihre Mutter beugte sich über den Tisch und sagte: »Es ist Zeit, den Laden zu schließen. Ich gehe ins Bett.« Sie weckte Erin auf und flüsterte ihr zu, dass sie auch lieber ins Bett gehen sollte. In ein paar Stunden würde der kleine Keller wieder hungrig aufwachen.

5.
    Der Nachweis
    T a gs darauf bat ein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Verlags, der das Buch der Rekorde herausbrachte, um Annas Geburtsurkunde. Calliope versprach dem Mann gerade, das Dokument per Fax zu schicken, als sie aufblickte und sah, wie Bets den Kopf schüttelte und stumm die Worte formte: Wir haben keine.
    »Einen Moment bitte«, sagte Calliope zu dem Mitarbeiter und legte eine Hand über das schnurlose Telefon.
    »Wir haben keine Geburtsurkunde«, sagte Bets.
    »Dann besorgen wir sie uns eben vom Meldeamt«, erwiderte Calliope und machte eine abwinkende Handbewegung.
    Bets setzte zum Sprechen an, zögerte dann aber. »Es gibt keine.«
    Calliope spürte, dass ihre Mutter mehr hatte sagen wollen und sich hinter diesem kurzen Satz aberhundert Geheimnisse verbargen.
    Der wissenschaftliche Mitarbeiter wurde ungeduldig. »M’am? M’am? Ich habe hier noch ein halbes Dutzend anderer Anträge, die ich bearbeiten muss. Würden Sie mich einfach unter dieser Nummer zurückrufen, wenn Sie den Nachweis haben?«
    »Natürlich«, antwortete Calliope und legte auf. Ihr Bein pochte vor Schmerz. Sie rief nach Anna, die zusammen mit Erin und dem Baby hinter dem Haus auf der Veranda saß. Die Wut und die Dringlichkeit, die in ihrer Stimme mitschwangen, schien den anderen nicht zu entgehen, denn im Nu waren alle Frauen um den Küchentisch versammelt.
    »Ich dachte, du wüsstest das längst«, sagte Bets.
    Erin legte das Baby an ihre Schulter und rieb ihm den Rücken. »Das ist das Problem in dieser Familie. Ihr denkt immer, dass das, was die eine weiß, automatisch auch alle anderen wissen.«
    »Aber ich habe euch doch längst davon erzählt«, sagte Anna.
    »Du erzählst immer nur von Kidron, nicht von Australien«, entgegnete Calliope. »Ich bin einfach davon ausgegangen, dass Mims und Grandpa Percy kurz nach ihrer Hochzeit herübergekommen sind.«
    »Ich verstehe nicht, warum es einen Unterschied machen soll, ob Mama in Brisbane oder in Kidron geboren ist. Das ändert doch nichts an ihrem Alter«, sagte Bets.
    »Das macht sehr wohl etwas aus.« Calliope rückte mit ihrem Stuhl vom Tisch weg. »Es wird Monate dauern, irgendwelche Dokumente aus Australien zu beschaffen – falls es überhaupt noch welche gibt.«
    »Du warst schon immer viel zu pessimistisch«, entgegnete Bets. »Schon als Kind konntest du kein Geschenk auspacken, ohne potenzielle Mängel aufzuzählen. Die Puppe hatte zu zerbrechliche Hände. Weiße Pullover blieben nie weiß. Soundso hat sich ein Bein gebrochen, als er versuchte, Fahrradfahren zu lernen. Kein Wunder, dass dieses Flugzeug, in dem du saßt, abgestürzt ist. Du hast es dein ganzes gottverdammtes Leben lang herausgefordert.«
    Calliope wünschte, ihre Mutter wäre im Unrecht. Sie wünschte, jemand von den anderen würde ihr widersprechen, doch deren Schweigen machte ihr bewusst, wie recht Bets hatte.
    »Er will einfach kein Bäuerchen machen«, sagte Erin und legte ihren Sohn an die andere Schulter.
    »Lass mich mal«, sagte Anna.
    Erin reichte ihr Keller. Calliope kam wieder auf das Problem zu sprechen: »Wir könnten die Unterlagen zur Volkszählung durchsehen oder herausfinden, wie Grandma jemals an einen Sozialversicherungsausweis gekommen ist. Es lagern kistenweise alte Unterlagen auf dem Dachboden. Irgendein Nachweis muss doch dabei sein!«
    Gegen Mittag waren die Frauen von Kisten umstellt, die sie heruntergetragen hatten. Bobo kläffte und versuchte, jedes einzelne Stück Pappe zu markieren. Calliope hatte inzwischen drei Schriftstücke vorliegen, die Annas Alter belegten. Als Erstes hatte Anna selbst ein vergilbtes Stück Papier der Einwanderungsbehörde zutage gefördert, das man ihr bei ihrer Ankunft in

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