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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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kommst du mir nicht davon, du blasshäutiger Krüppel!« Er machte einige weitere torkelnde Schritte.
    Die Haltung des Jungen straffte sich. »Ich nehme an, es wäre einigermaßen unnütz, Sie darauf hinzuweisen, dass Sie mitnichten einen Halbwüchsigen vor sich haben, sondern einen promovierten Thaumaturgen der neunten Stufe?«
    Der Schrank starrte ihn glasig an, dann teilte ein boshaftes Grinsen seine stoppelige Visage. »Du willst mich verscheißern? Mich, der ich mich seit fast zwanzig Jahren höchst ehrenhaft für die Kaputten unseres Landes einsetze?« Er stieß japsend auf. »Wird dir nicht bekommen, Kleiner, das schwör ich dir!«
    Der Knabe hob erneut die Hand, an deren Mittelfinger ein Siegelring aus massivem Silber prangte. »Ich nehme weiterhin an, dass es wenig zweckdienlich sein dürfte, Sie auf die Inschrift auf diesem Schmuckstück hinzuweisen, die mich unmissverständlich als Beamten der höchsten kriminologischen Ermittlungsbehörde Sdooms ausweist? Oder auf den Umstand, dass ich bereit und willens bin, Ihnen bei Tätlichkeiten gegenüber meiner Person unter Einsatz meiner nicht unbeträchtlichen thaumaturgischen Fähigkeiten erhebliche Schmerzen zuzufügen, welch Letztere in einer bleibenden Entstellung Ihrer Physis resultieren könnten?«
    Der Mann stoppte zwei Schritte vor ihm. Er kniff ein Auge zu und schielte mit dem zweiten den Ring an. Es war offensichtlich, dass er noch nie in seinem Leben Runen aus dem Alphabet der Noocal gesehen hatte, der ältesten bekannten Rasse Lorgonias.
    »Diese Buchstaben stehen für ›IAIT‹«, erklärte der Knabe genervt. »Und das wiederum bedeutet …«
    Ohne Vorwarnung landete die Hand des Betrunkenen in seinem Gesicht. Ein lautes Klatschen, und der Junge taumelte rückwärts. Verdattert betastete er seine linke Wange, die sich rasch rötete.
    »Blaak! Das war für die Lügerei«, bellte der Mann. Speichel sprühte von seinen wulstigen Lippen. »Hat dir nie jemand beigebracht, dass man Erwachsenen gegenüber keinen Dreck redet? Den Glitzertand und das aufgeblasene Getue kannst du dir für deine unreifen Schulkameraden aufsparen!« Er schwang das Messer. »Bei K’talmar, eigentlich wollte ich dir bloß eine ordentliche Tracht Prügel verpassen. Was jetzt kommt, hast du dir selbst zuzuschreiben! Ich werd dir ein zweites Grinsen ins Gesicht schnitzen, von einem Ohr zum anderen …«
    »Lass doch den Bengel, Bearth!«, ließ sich einer seiner Kumpane aus dem Hintergrund vernehmen. Den beiden schien trotz ihrer Trunkenheit nicht recht wohl bei dem Gedanken, dass ihr Freund drauf und dran war, sich an einem wehrlosen Kind zu vergreifen. »Komm lieber wieder her, wir haben noch eine volle Flasche gefunden!«
    »Hebt mir was auf!«, brüllte Bearth zurück, ohne den Blick von seinem potenziellen Opfer abzuwenden. »Ich bin hier gleich fertig.« Damit stürzte er vorwärts, den Dolch zum Stoß in die Luft erhoben.
    Es war Bearths Pech, dass er zu betrunken war, um die subtilen Details zu registrieren, die ihm im nüchternen Zustand möglicherweise nahegelegt hätten, von einer Auseinandersetzung mit dem Knaben abzusehen. Das auffällige Pochen an dessen Schläfe beispielsweise, das unzweifelhaft von rasch wachsender Wut kündete. Die farblosen Lippen, die wenige Augenblicke nach der Ohrfeige begonnen hatten, kaum hörbar fremdartige Silben zu murmeln. Die sonderbare Ausdrucksweise des Kindes, die sich von der jedes normalen Knaben seines Alters himmelweit unterschied …
    Wie die Dinge lagen, bemerkte Bearth jedoch nichts von alldem. Und das wurde ihm zum Verhängnis.
    Meister Hippolit, geboren im Jahre 3112 des Dritten Zyklus und damit stolze einhundertsieben Jahre alt, war promovierter Thaumaturg der neunten Stufe. Er war Beamter im Dienst der höchsten kriminologischen Ermittlungsbehörde Sdooms, und das bereits seit über siebzig Jahren. Ein fehlgeschlagenes thaumaturgisches Ritual, mit dem sein Arbeitgeber, das Institut für angewandte und investigative Thaumaturgie, sich seiner erstaunlichen Fähigkeiten noch für einige zusätzliche Jahrzehnte versichern wollte, hatte allerdings wenige Jahre zuvor dafür gesorgt, dass sein Erscheinungsbild nicht mehr ganz dem eines ausgebildeten Lichtadepten entsprach. Statt in der körperlichen Hülle eines Dreißigjährigen war Hippolit im albinotischen Leib eines unreifen Knaben wieder zu sich gekommen – Lorgon sei Dank im Vollbesitz seiner geistigen wie thaumaturgischen Fähigkeiten.
    Neben dem Verlust sämtlicher

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