Der Orksammler
geschickt hat?«
Der Ork stieß einen knurrenden Laut aus, halb Lachen, halb Schnauben. Suchend spähte er über den Platz. »Hüte deine Zunge, Jüngling! Wir sind hier, um einen gewissen Meister Hippolit abzuholen, einen ehrwürdigen Thaumaturgen gesetzten Alters, der uns per Wortwurf von …«
Hippolit schloss die Augen, hob seinen Siegelring. »Quintessenziell! Und nun wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn wir aufbrechen könnten. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es hier einen Serienmörder dingfest zu machen.«
3
Das Zelt General Ortlovs war groß, wahrscheinlich das größte des ganzen Lagers. Im Gegensatz zu den würfelförmigen Gebilden aus grobem Leder, in denen die niederen Soldaten untergebracht waren und vor denen im Normalfall nicht mehr als eine erbärmlich kokelnde Pechfackel im Karst steckte, war seine Unterkunft darüber hinaus geradezu festlich beleuchtet: Ein mächtiges Feuer loderte vor dem Eingang, und an sämtlichen Pfosten, die das hoch aufragende, spitze Dach trugen, waren brennende Öllampen angebracht. Hippolit, der sich nach der insgesamt knapp zwei Tage währenden Anreise wie durch den Wolf gedreht fühlte, sandte ein stummes Stoßgebet an Lorgon den Schöpfer, dass es im Innern eine bequeme Sitzgelegenheit und einen Schluck Branntwein für ihn geben möge, wenigstens aber einen heißen Tee.
Der Ritt von der Grabstadt hinaus auf die Ebene von Torr hatte das Fass seiner Entbehrungen endgültig zum Überlaufen gebracht. Nach unzähligen Stunden im rüttelnden, ohrenbetäubend lauten Führerstand des Torrlem-Expresses wäre der stramme Galopp schon auf einem eigenen Pferd anstrengend gewesen. Zu einer rechten Tortur wurde die Strecke, wenn man sie an den Rücken eines massigen, nach Schweiß und Alkohol stinkenden Kriegers gepresst zurücklegte.
Die Eskorte hatte zwar ein Reittier für Hippolit mit nach Torrlem gebracht, es stellte sich jedoch rasch heraus, dass das riesige lyktische Ross dem Druck von Hippolits dünnen Schenkeln etwa so gut gehorchte wie Befehlen, die ihm eine Scheißhausfliege in sein schwarzfelliges Ohr summen mochte. Wie sehr Hippolit auch zeterte, am Zügel riss oder dem Tier seine Hacken in die Flanke trieb – der Gaul, zugeritten von schweren, groben Männern, nahm ihn und seine Befehle offenbar gar nicht wahr.
Als Folge war er im Sattel hinter einem bulligen Mann namens Thursten geendet, dem seine unerwartete Betreueraufgabe sichtlich unangenehm war. Er versuchte zwar, sich nichts anmerken zu lassen, doch an der Art, wie er ritt – hart und schnell, ohne Rücksicht auf seinen Mitreisenden –, ließ sich ablesen, dass er bestrebt war, vor seinen Kumpanen das Gesicht zu wahren und nicht als Kindermädchen für einen halbwüchsigen Fremden verlacht zu werden. Hippolit, dessen Kehrseite sich bald anfühlte wie nach einer heftigen Tracht Prügel, hatte innerlich aufgeatmet, als am Horizont endlich der flackernde Schein des Heerlagers aufgetaucht war.
Während er jetzt hinter Thursten und den anderen her durch die schlafende Zeltstadt schritt, fragte er sich, ob Jorges Anreise ähnlich unkomfortabel verlaufen war. Per Wortwurf hatte man ihm mitgeteilt, Jorge sei in seinem Urlaubsdomizil irgendwo im Süden ausfindig gemacht und unverzüglich herbeordert worden. »Unverzüglich« war jedoch im Falle eines Trolls ein dehnbarer Begriff.
Was, wenn er noch gar nicht angekommen war?
Im Vorbeigehen beobachtete Hippolit einen baumlangen Soldaten in schmutziger Unterkleidung, der gähnend neben dem Eingang eines Zeltes stand und gegen die Wand des benachbarten urinierte, als wäre es das Normalste auf der Welt. Ihn schauderte beim Gedanken daran, die Ermittlungen inmitten dieses unzivilisierten Haufens allein aufnehmen zu müssen. Die Reaktionen von Thursten und den anderen ließen nicht darauf hoffen, dass man einen blassen Knaben mit undurchsichtigen Sonderbefugnissen in dieser Umgebung Übermäßig erfreut empfangen würde.
Seine Sorgen zerstreuten sich schlagartig, als er an das Domizil des Heereskommandanten herantrat.
Vor dem hell erleuchteten Zelt standen zwei riesige Gestalten in klobigen Rüstungen Wache. Der Schein des Feuers erhellte picklige, schlecht rasierte Gesichter von tierhafter Grobschlächtigkeit und winzige Augen, die an Aussehen und Verstand eines Mastschweins denken ließen. Trolle, kein Zweifel.
Davor, dem Anschein nach in ein angeregtes Gespräch mit den beiden Wächtern vertieft, ragte eine dritte, nicht minder kolossale Gestalt
Weitere Kostenlose Bücher