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Der Orksammler

Der Orksammler

Titel: Der Orksammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Lossau , Jens Schumacher
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aufgebracht. »Kein gewöhnlicher Gegner wäre in der Lage, sechs Orkkrieger so rasch hintereinander niederzuschlagen, dass sie ihn nicht einmal richtig zu sehen bekommen! Es muss Thaumaturgie im Spiel gewesen sein!«
    Bestätigendes Murmeln unter den Umstehenden. Kommentare hinter vorgehaltener Hand wurden ausgetauscht, Unglaube mischte sich mit markigen Sprüchen, als die Männer sich gegenseitig ihrer Unbesiegbarkeit versicherten. Ihrem Getue zum Trotz war jedoch nicht zu überhören, dass ein unliebsamer Gast in ihre Reihen Einzug gehalten hatte: Todesangst.
    General Ortlov wandte sich mit skeptischer Miene an Hippolit. »Die Vorstellung, dass es ein Wesen geben könnte, dessen Angriff zu schnell vonstattengeht, um von seinen Opfern wahrgenommen zu werden, wäre mit Verlaub beunruhigend«, erklärte er, während seine Hände hinter seinem Rücken energisch die Gerte bearbeiteten. »Was für ein Geschöpf könnte das Ihrer Meinung nach sein?«
    »Das, lieber General, werden wir hoffentlich bald herausfinden«, erwiderte Hippolit ruhig. »Und nun geben Sie bitte Anweisung, dass mein thaumaturgisches Miniaturlabor aus dem Lazarettzelt hierhergebracht wird.«

9
     
     
    »Unser Mann muss Fäuste wie Dampframmen haben, M.H.«, bemerkte Jorge eine halbe Stunde später und drehte zum schätzungsweise hundertsten Mal den zerbeulten Helm des Soldaten Nazdrarski zwischen seinen dicken Fingern. »Das Metall ist nicht mal zerschrammt, das heißt, die Verformung wurde nicht von einem metallischen Gegenstand verursacht. Holz wäre beim Aufprall gesplittert, zumindest teilweise. Man müsste Spuren davon zwischen Stahl und Lederbeschlägen finden.« Kurz starrte er auf die Knöchel seiner eigenen geballten Rechten, dann nickte er anerkennend. »Ein ganzer Kerl, dieser Kerl … falls es überhaupt ein Kerl ist. Was meinst du, M.H.: Ob es auch Weibsbilder gibt, die derart austeilen können?«
    Hippolit beachtete ihn nicht. Er hantierte konzentriert mit einem Sammelsurium von Schüsseln, Ständern und Artefakten, die er rings um die Baumgruppe angeordnet hatte, in der sich laut Nazdrarskis Bericht der rätselhafte Angreifer verborgen hatte. Stinkender Qualm stieg aus verschiedenen Behältern in die kühle Nachtluft, auf einem Teller lag ein grüner Edelstein und sandte rhythmische schwache Lichtsignale in die Finsternis. In unregelmäßigen Abständen drangen Zeilen halb geknurrter, halb gesprochener Worte über Hippolits Lippen, zu lang, um mit normalen menschlichen Atemzügen von Anfang bis Ende artikuliert zu werden.
    Es konnten nur noch wenige Stunden bis zum Morgengrauen sein. Längst hatte der General dafür gesorgt, dass sich die Menschenansammlung vor der Lagergrenze wieder zerstreute. Er hatte allerdings auch angeordnet, dass gut drei Dutzend Trolle in schweren Eisenpanzern den Schauplatz des thaumaturgischen Rituals bewachten. Stumm ragten die Kolosse in einem Kreis um Jorge und Hippolit auf, die tumben Gesichter sowie ihre mörderische Bewaffnung der nächtlichen Ebene zugewandt.
    Hippolit zweifelte an der Notwendigkeit der Maßnahme. Er war relativ sicher, dass sich der Mörder in dieser Nacht nicht mehr zeigen würde.
    Bevor er mit dem Ritual des Fraderuk begonnen hatte, waren die restlichen vier Soldaten der Nachtpatrouille zu Bewusstsein gebracht und verhört worden. Wie kaum anders zu erwarten, wussten sie Nazdrarskis Bericht nichts Grundlegendes hinzuzufügen. Keiner hatte etwas gesehen, alle schienen mehr oder weniger im selben Augenblick niedergeschlagen worden zu sein. Und genau wie Nazdrarski hatte mehr als einer noch das unmenschliche Kreischen ihres todgeweihten Kameraden Ontan vernommen, bevor die Bewusstlosigkeit ihn einhüllte.
    »Was soll das werden, wenns fertig ist?«, erkundigte sich Jorge und erhob sich von dem Baumstumpf, von dem aus er Hippolits Bemühungen verfolgt hatte. Den Orkhelm stülpte er sich in Ermangelung eines geeigneten Aufbewahrungsortes auf den Kopf. Natürlich war er viel zu klein, er saß wie ein albernes rundes Hütchen ganz oben auf seinem Schädel. »Eine Signaturprüfung?«
    »So ähnlich.« Hippolit beendete eine lange Befehlszeile und sog tief Luft in seine Lungen. »Jetzt heißt es abwarten, bis der Mond sich wieder zeigt und sein Licht auf diesen in Slakha-Säure eingelegten Birlyt fällt …« Er wies auf einen unscheinbaren, oktagonal geformten Stein, allem Anschein nach ein simpler Kiesel, der in einer flachen Schüssel mit klarer, bläschenwerfender Flüssigkeit

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