Der Orksammler
ihn ehrlich gesagt nicht besonders.«
»Was du nicht sagst. Warum, bei Batardos, nennt man dich denn ›Kotkopp‹?«
Kojomias/Kotkopp machte eine abwinkende Handbewegung. »Lange Geschichte. Hässliche Geschichte. Ein Verladearbeiter mit chronischen Verdauungsbeschwerden spielt darin eine Rolle, eine fehlgeschlagene thaumaturgische Kur … aber Sie wollen das nicht hören! Sagen Sie, wissen Sie zufällig, ob der … ahm, der Verbrannte irgendwelche Verwandte hat?«
»Wird er denn durchkommen?«
»Ich glaube schon. Dummheit kann man nur schwer ausräuchern.«
Jorge lachte polternd. »Wohl gesprochen. Ist das zufällig ein altes Trollsprichwort?«
Kojomias erwiderte das Lachen. Er öffnete eine Schublade seines Schreibtisches, holte eine Flasche mit grüner Flüssigkeit hervor und stellte zwei Gläser zwischen den braunen Dokumenten auf den Tisch. »Einen Knosper?«, fragte er.
»Immer!«, rief Jorge.
Sie stießen an, tranken. Der Knosper spülte die Ascheschicht aus Jorges Speiseröhre. »Du bist schon eine Zeit lang hier in Torrlem, nicht wahr?«, fragte er nach einer Weile.
Meister Kojomias nickte. »Viel zu lange. Aber es ist leicht verdientes Geld. Eine Menge leicht verdientes Geld! Die Krone zahlt ausgezeichnet, wenn man in der Grabstadt anheuert. Das muss sie auch, damit sich überhaupt jemand hierher verirrt.« Er zögerte kurz. »Glauben Sie, ich würde in einer Stadt, wo gut ausgebildete Arbeitskräfte weniger rar sind, einen Posten als Klinikleiter bekommen? Ich, ein Heiler vierter Stufe?« Er stieß ein verächtliches Prusten aus und schenkte sich und Jorge nach. »Nein. Einen besser bezahlten Job bekomme ich mit meiner Ausbildung in ganz Sdoom nicht.«
Jorge zuckte die Achseln »Was soll’s? Viel wird hier ja nicht los sein, oder?«
»Oh, wir haben genügend zu tun, wenn Sie das meinen. Alle vier Zenite müssen sich sämtliche Arbeiter einer medizinischen Generaluntersuchung unterziehen. Natürlich gibt es weitere Heiler hier im Klinikum, aber ich übernehme die meisten Schichten. Nicht allein wegen der Bezahlung. Auch, um mein inneres Gleichgewicht zu erhalten. Wissen Sie, an einem Ort wie Torrlem, wo das Leben zu Ende geht, verlieren Sie auf Dauer den Verstand, wenn Sie sich nicht ständig mit etwas beschäftigen. Das Grau, die Asche, das unausgesetzte Glühen der Ewigen Flamme … all das bemächtigt sich Ihrer irgendwann, verstehen Sie? Früher oder später. Und dann wachen Sie eines Tages im Land des Todes auf und sind wahnsinnig. Viele meiner Kollegen halten mich für übermotiviert oder profilneurotisch, aber meine Dauerschichten haben mir geholfen, etliche zu überdauern, die wegen akuter Nervenkrisen längst ihre Arbeit im Klinikum aufgeben mussten.« Meister Kojomias starrte in sein Glas, dann wandte er sich wieder Jorge zu. »Zurück zu unserem Patienten. Wie war noch gleich sein Name?«
»Agdeman. Ein Volltrottel.«
»Beseitiger Agdeman, richtig. Sie sagten, er habe sich mit einem Zerstörer entzündet? Das ist schlecht. Diese Apparate arbeiten mit Vitrioleum, einer leicht entflammbaren Säure, die schon im nicht entzündeten Zustand schwere Verbrennungen hervorruft. Was von einer vitrioleumgespeisten Flamme erfasst wird, überlebt normalerweise nicht lange.«
»Der Kerl war nicht ganz dicht. Hat behauptet, er würde Monster jagen. Dabei jagte er bloß Ungeziefer. Und nicht mal das traf er! Naja, war im Grunde auch besser so … mal unter uns: Diese Vulvatten sind ganz possierliche Tierchen. Ganz anders als Ratten! Obwohl sie ja miteinander verwandt sind, die kleinen Biester.«
Meister Kojomias lehnte sich in seinem Lehnstuhl zurück. »So, so, ein Monsterjäger also«, murmelte er. »Was für ein Schaumschläger! Aber davon gibt es in Torrlem jede Menge.«
Jorge trank einen Schluck Knosper. »Mag sein. Sag mal, du kennst doch bestimmt so ziemlich jeden Bürger hier, nicht wahr?«
Kojomias lachte und schüttelte den Kopf. »Nun, das wäre mit Sicherheit übertrieben. Nicht jeden. Ihren Herrn Agdeman kannte ich ja auch nicht. Aber ich bin schon einer ganzen Reihe von Leuten begegnet, das stimmt.«
»Erinnerst du dich immer an deren Namen?«
»Nein, nie. Ich erinnere mich an ihre Krankheiten.«
Jorge nickte. »Verstehe. Diese ganzen Arbeiter, die regelmäßig zu dir kommen … die erzählen doch gewiss so manche Geschichte.«
Kojomias nickte mit leerem Blick. »Natürlich. Die Leute erzählen viel. Zu viel, wenn Sie mich fragen. Aber das ist kein Wunder, in dieser Stadt
Weitere Kostenlose Bücher