Der Pakt
Sache offensichtlich nicht für sehr dringlich. Als sie den Gipfel des Hügels erreichten und die neuen Wagen sahen, blieb er völlig ungerührt. Einige Wagen strahlten frisch gestrichen in der Sonne, während andere nur hölzerne Gerüste waren, nackte Planken, die wie die Rippen von Skeletten ausgestorbener Tiere im Museum in die Luft ragten.
Sie kannte fast alle, die dort waren, ob sie nun beim Bau halfen, Essen machten oder wie viele in Grüppchen zusammenstanden und sich niedergeschlagen unterhielten.
Auch Mae war dort und hatte die Hände trichterförmig an den Mund gelegt, um Sins Freund Jonas etwas zuzurufen, der auf dem Dach eines halb fertigen Wagens stand und die Augen verdrehte, um anzudeuten, dass ihr Kommentar nicht gerade hilfreich war. Als er Sin erblickte, rief er: »Sin! Du bist wieder da!«
Mae wandte sich um und kam über die Wiese auf sie zu.
»Hey, Sin! Was hältst du davon?«
»Du hast die Nekromanten eingeladen, bei uns zu wohnen?«
Mae blinzelte. »Sin, wir brauchen mehr Leute. Verwirrung des Feindes, klar? Sie wissen nicht, welche Boten sie einsetzen können, sie wissen nicht, wer genau bei uns ist und welche Magie uns zur Verfügung steht, wenn sie angreifen. AuÃerdem ist es richtig.«
»Nekromanten zu uns einzuladen?«
»Ja!«, beharrte Mae. »Sie sind alle auf unserer Seite. Sie sind keine Magier. Wir können alle Magie und alle Hilfe brauchen, die wir kriegen können, und der Jahrmarkt der Kobolde sollte ein Ort sein, an dem wir alle zusammen leben und arbeiten können, nicht nur eine Nacht im Monat.«
»Und warum genau bist du jetzt die Autorität, die bestimmt, wie der Jahrmarkt auseinandergenommen wird?«
»Wer ist denn sonst da?«, wollte Mae wissen. »Was würdest du denn tun?«
Eine junge Tränkebrauerin, die Sin als Isabelle kannte, rief nach Mae, weil sie nicht wusste, wo sie etwas hinbringen sollte. Mae sah sich um.
»Ich komme! Entschuldige mich, ich bin gleich wieder da«, sagte sie. »Und du«, fügte sie an Nick gewandt kühl hinzu, als wolle sie sowohl ihm als auch sich selbst beweisen, dass sie ihm noch nicht verziehen hatte, »du bist doch ein Dämon, oder? Ich glaube, ich kann mich dumpf an so etwas erinnern. Also, wenn du schon hier bist, dann geh dich nützlich machen.«
Mit eisigem Gesichtsausdruck starrte sie ihn an und Nick starrte ausdruckslos zurück, doch dann ging er zu einem der Wagen, die gerade gebaut wurden. Mae sah ihm finster nach und lief dann zu Isabella.
Sin wusste nicht recht, was sie nun tun sollte.
Carl löste sich aus einer der Gesprächsgruppen. »Sin«, sagte der Waffenmeister, »Gott sei Dank, dass du da bist.« Er zögerte. »Wo ist die â¦Â«
»Lydie ist bei meinem Vater.«
Carls Gesicht heiterte sich auf. Sins Vater war schlieÃlich ein Tourist, nicht einer von ihnen. »Das war eine gute Entscheidung. Jetzt kannst du für uns da sein. Diese Touristin spielt sich total auf und dreht völlig durch. Einige von den Nekromanten sind mit stinkenden Kadavern in den Autos angekommen.«
Den Feind zu verwirren stiftete anscheinend auch Verwirrung darüber, wer der Feind eigentlich war.
»Niemand ist glücklich darüber«, meinte Carl verschwörerisch. »Sieh dich doch nur um!«
Sie sah Jonas mit seinen Werkzeugen und frischem Holz in der Hand und finsterem Gesicht vorbeigehen, das irgendetwas zwischen Unsicherheit und Zorn ausdrückte, und erkannte, dass die meisten der eigentlichen Marktleute diese Unsicherheit und diesen Zorn zu empfinden schienen. Sie fühlten sich im Stich gelassen und würden allem vertrauen, was ihnen bekannt war. Merris war besessen und hatte sie im Stich gelassen. Mae war eine Touristin, die Chaos verbreitete.
Sin war ohne Magier im Schlepptau gekommen. Sie war allen bekannt. Sie müsste sich nicht einmal besonders anstrengen, um sie zurückzugewinnen. Wenn sie begänne, Befehle zu geben, würden sie ihr gehorchen.
Die Erkenntnis überwältigte sie fast. Doch noch überwältigender war die zweite Erkenntnis: Sie hatte keine Ahnung, was für Befehle sie geben sollte. »Alles bleibt, wie es ist!« war höchstwahrscheinlich nicht das Richtige angesichts der Tatsache, dass die Magier jederzeit angreifen konnten.
In dieser Situation schien es weit richtiger, so viele Leute wie möglich zur Verfügung zu haben, die kämpfen
Weitere Kostenlose Bücher