Der Pakt
Zorn gewesen, dass sie ihren Vater zwei Jahre lang nicht besucht und immer aufgelegt hatte, wenn er anrief. Mama war ihm sogar bis zu ihrem Tod böse gewesen. Für Sin hieà das, dass sie ihn bis zu ihrem Tod geliebt hatte, und das zählte schon etwas.
Als Sin begonnen hatte, mit Dad wieder am Telefon zu sprechen und ihn später auch zu treffen, wobei sie mit dem Zug gereist war und sich mit ihm auf halber Strecke getroffen hatte, war es ihr grausam erschienen, Victor zu erwähnen. Dad hatte nie wieder jemand anderen gehabt. Sin hatte es einfach nicht erwähnt, und irgendwann war ihre kleine Unterlassungssünde auÃer Kontrolle geraten, sodass sie eine weitere Rolle spielen musste.
Ihr Dad wusste nicht, warum Sin nie bleiben konnte. Er wusste nichts von Lydie und Toby. Sie konnte es ihm nicht sagen, denn schlieÃlich waren es nicht seine Kinder. Vielleicht würde er sie zu einer Pflegefamilie bringen wollen oder sie einfach auf dem Markt lassen und Sin wegholen, damit sie sich auf die Schule konzentrieren und aufs College gehen oder die Dinge tun konnte, von denen er immer sprach, Ferien am Meer oder Schwimmunterricht oder so etwas?
Es war die einzige Möglichkeit.
Nach dem Tod ihrer Mutter hatte er sie zu überreden versucht, bei ihm zu wohnen. Er hatte versprochen, dass sie weiter tanzen könnte und dass er sie selbst zum Markt bringen würde und mit ihr Hand in Hand dort spazieren gehen würde, wie sie es getan hatten, als sie noch ein Kind war.
Sie hatte ihm gesagt, dass sie bei Merris Cromwell wohnen würde und ihn ebenso wenig brauchte, wie ihre Mutter ihn gebraucht hatte.
»Es tut mir leid«, sagte sie, »aber ich habe zu viel zu tun, um zum Essen zu bleiben.«
Ihr Vater stemmte sich mit den Händen vom Tisch hoch, als seien seine Glieder zu schwer. Dann ging er um den Tisch herum zu ihr und steckte ihr ein kleines Bündel Scheine in die Hand.
»Es war schön, dich zu sehen«, murmelte er. »Kauf dir etwas Nettes von deinem alten Dad.«
»Das werde ich bestimmt«, antwortete Sin.
Lebensmittel für eine Woche waren immer nett.
Da sie sowieso schon viel zu spät war, lehnte sie noch ein paar Minuten den Kopf an den Arm ihres Vaters und sah zu, wie das Licht drauÃen schwächer wurde.
Liebe kostet immer mehr als man sich leisten kann, hatte Alan mit noch schmerzverzerrtem Gesicht gesagt. Und sie ist immer jeden Preis wert.
Manche Leute blieben, egal was es kostete. Aber man konnte so etwas nicht einfach von jemandem erwarten. Sin wusste nicht, wie sie jemanden dazu bringen konnte, sie so zu lieben.
6
Angriff
M erris war an diesem Wochenende im Haus des Mezentius, um sich um die Besessenen zu kümmern, daher musste Sin damit warten, ihr von Mae zu erzählen. Sie wusste nicht, wem sie es sonst erzählen sollte.
Die Einzige zu sein, die Bescheid wusste, war zermürbend. Am Montagmorgen saà sie in der Schule und dachte darüber nach, was Mae alles Celeste verraten konnte.
In der Mittagspause waren ihre Nerven so angespannt, dass sie es nicht fertig brachte, Small Talk mit Mädchen zu machen, die nichts von der Welt wussten, um die sie sich Sorgen machte. Also nahm sie ihr Essen und ging an den Tisch zu Nick, der telefonierte und jeden drohend ansah, der versuchte, sich zu ihm zu setzen.
»Ich muss weg«, verkündete er, als Sin sich ihm gegenüber setzte.
»Heimliche Verehrerin?«
»Heimlicher Wanderzirkus«, entgegnete Nick. »Sie liegen mir alle sehr am Herzen. Besonders die Dame mit dem Bart.«
»Freut mich, dass du doch noch die Liebe deines Lebens gefunden hast! Isst du den Joghurt noch?«
»Ja«, grollte Nick.
»Bist du sicher?«, fragte Sin. Es war schlieÃlich Rhabarber-Vanille. »Wenn es hilft, kann ich ihn auch sehr sexy essen.«
»Kann ich selber«, behauptete Nick. Sin zuckte philosophisch mit den Achseln und er fuhr fort: »Kennen wir uns jetzt eigentlich?«
»Schon gut, ich habe darüber nachgedacht. Die Mädchen in der Schule werden nicht glauben, dass wir uns kennen. Sie glauben höchstens, dass ich dir an den dämonischen Hintern will.«
Nick machte den Joghurt auf, und Sin meinte einen Anflug von Belustigung in seinen kalten Augen zu erkennen, als er sich im Raum umsah.
»Stimmt schon, dass Frauen dem hier nur schwer widerstehen können«, meinte er und deutete mit dem Teelöffel auf seinen Körper. Dann steckte er den
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