Der Pakt
Blick.
»Wir sollen doch auf sie aufpassen.«
»Sie ist angekettet«, erinnerte Jamie ihn und nahm ihn am Arm.
Jamies Gesicht konnte Sin nicht sehen, wohl aber das von Seb. Sie hörte, wie er tief Luft holte und den Atem anhielt.
»Ich dachte, von jetzt an wolltest du tun, was ich will«, erinnerte ihn Jamie.
Als Jamie den Raum verlieÃ, folgte Seb ihm.
Sin löste langsam den Griff um das Messer. Die letzten zehn Minuten hatte sie gefürchtet, dass es jemand sehen könnte oder dass Jamie es vermissen würde. Der Dolch des Magiers glänzte in ihrer Handfläche.
Sie ging vorsichtig damit um und stellte erleichtert fest, dass es durch die Metallkette schnitt, die sie an den Tisch fesselte, als wären es nur Schnüre. Sie legte die Kette auf den Boden und schnitt sie in zwei gleiche Teile. Dann wickelte sie sich die beiden Enden ihrer neuen Ketten um die Handgelenke und lieà sie herunterhängen, sodass sie damit jederzeit und in jede Richtung zuschlagen konnte. Das Messer klappte sie wieder zu und steckte es in die Jeanstasche.
Sie war eine Tänzerin, daher gelangte sie ohne das leiseste Klirren der Ketten hinaus, wo sie sich im Lager der Magier sofort auf die Suche nach ihrer Schwester machte.
11
Party mit Knalleffekt
V orsichtig schlich sie die Gänge entlang und versuchte, sich das Gebiet des Feindes so gut wie möglich einzuprägen. Von auÃen hatte das Schiff gar nicht so groà ausgesehen. Vielleicht war es Magie, vielleicht wirkte es aber auch nur so.
Magie oder nicht, es war ein ziemlich schickes Schiff. Jeder Raum, in den sie sah, war mit schönen Möbeln ausgestattet. Ãberall Holz, manchmal naturbelassen, manchmal weià gestrichen. Ohne das leise Schaukeln und die Rundungen an den Wänden hätte sie kaum geglaubt, sich auf einem Schiff zu befinden. Einmal ging sie an einem Fenster vorbei und sah die Themse und gar nicht so weit entfernt die Häuser von London.
Weit genug.
Zwei breite, flache Stufen führten sie zu einer Glastür hinunter, hinter der ein groÃer, schwach beleuchteter Raum lag. Sie glaubte kaum, dass ein Schiff, auch mit magischer VergröÃerung, mehr als einen solcher Räume haben konnte. Es war ganz offensichtlich der Ballsaal.
Sie ging hinein. Entlang der Wände standen weiÃe Stühle mit dünnen Beinen, und als sie nach oben sah, bemerkte sie Deckenbalken. Durch eine weitere Tür â diesmal aus Holz, nicht aus Glas â gelangte sie in einen kleineren Raum mit ebenso hoher Decke. Dort war ein langer Tisch gedeckt. Aus hohen Vasen neigten Lilien ihre Köpfe über Porzellan und Kristallgläser.
Plötzlich gellte ein Alarm los.
Sin lief jetzt schneller, aber nicht zu schnell, sondern geschmeidig genug, dass die Ketten nicht klirrten. Sie verlieà den Speisesaal durch eine Tür auf der anderen Seite und gelangte über einige Stufen nach oben in einen Gang. Hinter den ersten vier Türen, vor denen sie stehen blieb, hörte sie Stimmen oder Geräusche, hinter der fünften war es still.
Sie stieà die Tür auf und stand vor Seb, der den Kopf in die Hände gelegt hatte.
Er sprang auf und einen Moment lang starrten sie sich gegenseitig an.
»Komm rein«, befahl Seb dann leise. »Und mach die Tür zu!«
Sin trat ein und schloss die Tür hinter sich. Sein Zimmer war klein, es enthielt nur ein Bett, einen kleinen Schrank und einen Tisch mit einem kleinen grünen Zeichenblock.
Wenn Sin jetzt mit einer ihrer Ketten zuschlug, konnte Seb nur schwer ausweichen. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie ihn in kürzester Zeit bewusstlos schlagen könnte.
»Wir könnten das Fenster einschlagen«, schlug Seb vor und schloss mit zitternden Händen die Tür ab. »Dann könntest du ins Wasser springen.«
»Was würde dein neuer Freund davon halten, wenn du mir zur Flucht verhilfst?«, erkundigte sich Sin.
Seb wandte sich zu ihr um und verzog den Mund.
»Das muss er ja nicht wissen.«
»Ich lasse meine Schwester nicht zurück.«
»Sie werden ihr nichts tun«, erklärte Seb leise und nervös. »Sie werden eher dir etwas tun. Ich will nicht mehr zusehen, wie jemand verletzt wird. Du musst hier weg.«
»Sie werden ihr nichts tun?«, fragte Sin nach. »So, wie sie dir nichts getan haben?«
Seb antwortete nicht.
»Hast du Familie?«
Er räusperte sich qualvoll. »Nein.«
»Wenn du Familie
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