Der Pakt
hast mir das Leben schwer gemacht. Jetzt bin ich der mit der Macht, und du willst, dass wir Freunde sind. Ist das nicht lustig?«
»Nein, das ist es nicht«, stieà Seb hervor und biss sich auf die Lippe.
»Das ist es nicht? Du willst also nicht, dass wir Freunde werden?«
Seb zögerte und Jamie musste lachen.
»Es spielt keine Rolle«, sagte er. »Mir ist egal, ob du Gewissensbisse wegen der Morde hast oder ob dich deine mangelnde Macht quält oder sonst irgendetwas. Vielleicht hast du ja endlich herausgefunden, was du willst, aber das ist mir auch egal, weil du mir egal bist.«
Sebs hingerissene Aufmerksamkeit und wie er diese schrecklichen weiÃen Augen ansah, lieÃen Sin vermuten, was er wollte.
Also würde die Masche mit der schönen Gefangenen wahrscheinlich nicht wirken. Verdammt.
Sin rückte ein wenig näher zu Jamie und versuchte, nicht mit den Ketten zu rasseln.
»Das weià ich«, erwiderte Seb. »Aber â¦Â«
»Hättest du gerne einen Rat?«, fragte Jamie höhnisch. »Es gibt einen Grund dafür, dass es so unattraktiv ist, jemandem zu folgen und kleine Bilder von ihm zu zeichnen.« Der triefende Spott lieà Seb knallrot werden. »Man verliert leicht die Tatsache aus den Augen, dass das Objekt, das man betrachtet, ein Mensch ist.«
»Ich weiÃ, dass du ein Mensch bist!«
»Du weiÃt gar nichts von mir. Ich bezweifle sogar, dass du überhaupt irgendetwas weiÃt.«
»Ich weià einiges über dich«, widersprach Seb. »Ich könnte noch mehr kennenlernen. Du könntest mich kennenlernen.«
»Wie reizvoll!«, rief Jamie aus. »Nein, Moment, das war das falsche Wort. Wie lautet gleich noch mal das Gegenteil?«
Normalerweise brauchte Sin nicht so lange, bis sie jemandes Körpersprache durchschaute. Aber das Messer, diese furchtbaren Augen und das Dämonenmal hatten sie abgelenkt.
Jamie hatte die schmalen Schultern zusammengezogen und die Hände fast ganz zu Fäusten geballt. Jeder einzelne Muskel schien angespannt.
»Ich weiÃ, dass ich keine Chance verdient habe«, bekannte Seb. »Ich will nur sagen ⦠ich will, dass du weiÃt, ich will eine.«
Jamie blinzelte, die erste nicht vollkommen negative Regung, die er zeigte. Sin fand die ganze Szene grauenvoll. Sie hatte keine Lust, über unglücklich verliebte Magier nachzudenken oder über die Gefühle von Magiern überhaupt. Sie waren Feinde. Sie wollte das nicht sehen.
Doch sie war dankbar, dass die beiden abgelenkt waren. Sie hätte die Hand ausstrecken und Jamie berühren können.
Seb sah peinlich berührt weg, da er seine Verzweiflung nicht so deutlich hatte zum Ausdruck bringen wollen.
»Wieso sollte es mich interessieren, was du willst?«, fragte Jamie schlieÃlich.
»Na ja, du und Gerald, ihr scheint in letzter Zeit nicht mehr so gut miteinander auszukommen«, meinte Seb verlegen. »Ich dachte ⦠vielleicht fändest du es gut, wenn jemand auf deiner Seite ist.«
Jamies Haltung veränderte sich, und wären seine Augen immer noch menschlich gewesen, hätte sich auch der Ausdruck in ihnen verändert.
»Wie meinst du das?«, fragte er leise.
»Na ja«, wiederholte Seb, kleinlaut und hoffnungslos, »wenn du dich so fühlst wie ich mich ⦠nein, das meine ich nicht, ich meine, wenn du dich hier einsam fühlst.«
»Es macht mir nichts aus, einsam zu sein. Aber du hast recht, ich komme mit Gerald nicht so gut aus. Ich mag es nicht, wenn man mir sagt, was ich zu tun habe, und der gesamte Zirkel des Aventurin scheint seine eigene Vorstellung davon zu haben, wie ich mich verhalten sollte. Ich könnte einen Verbündeten gebrauchen.«
Sin bemerkte die Wachsamkeit in Sebs Augen, dennoch machte er einen Schritt auf Jamie zu.
»Was meinst du damit?«
»Ich meine jemanden, der mit allem einverstanden ist, was ich tue«, erklärte Jamie mit leichtem, unangenehmem Lächeln, »und der alles tut, was ich sage.«
Seb trat einen weiteren Schritt vor und Jamie stand auf. Das Messer in seiner Tasche, das Sin gerade in die Finger bekommen und ein paar entscheidende Zentimeter hervorgezogen hatte, fiel ihr glatt in die Hand. Jamie schien es nicht zu bemerken. Er streckte die Hand aus, die Seb zögernd und mit einer ruckartigen Bewegung ergriff.
»Dann ist das also abgemacht«, meinte Jamie, immer noch mit diesem Lächeln im Gesicht.
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