Der Pakt der Schwerter: Historischer Roman (German Edition)
den Berg zum Bisceopesgeat hochgeritten. Wir kamen an der Stelle vorbei, wo ich in jener Nacht angegriffen worden war, und an der Kirche St. Eadmund, wo ich den Mann gesehen hatte, den ich für den Kaplan gehalten hatte. Es schien schon so lange her zu sein, obwohl es bloß etwas mehr als eine Woche war; die Erinnerung wurde bereits unscharf, als hätte ich es nur geträumt. Aber das alles lag jetzt hinter mir, sagte ich mir, und das galt bald auch für die Stadt.
Es dauerte vier ganze Tage, bis wir das Heer des Königs einholten, und zu diesem Zeitpunkt hatten wir meiner Schätzung nach rund einhundert Meilen zwischen uns und Lundene gelegt. In jeder Stadt, durch die wir kamen, hörten wir Geschichten von irgendwelchen Unruhen draußen in den Grafschaften, von in Brand gesteckten Häusern, von Bauern, die sich gegen ihre Lords erhoben. Nachrichten von der Rebellion im Norden waren etwas Alltägliches, und überall wurden die Engländer unruhig, und ihr Selbstvertrauen wuchs, als sie von der Erfolgen ihrer Landsleute in Eoferwic hörten.
Die Sonne senkte sich hinter die Bäume am Horizont, als wir schließlich den Kamm eines Höhenrückens irgendwo im Norden von Stanford erreichten und dort hinunter auf ein Tal vor uns schauten und auf ein Meer von Zelten. Hunderte von ihnen standen dort in der Ebene – seit dem Abend vor der großen Schlacht bei Hæstinges hatte ich nicht mehr so viele Männer zusammen an einem Ort gesehen.
Wahrlich ein unvergesslicher Anblick. Der Wind nahm zu, und neben jedem Feuer wehte das Banner des Lords, der dort lagerte. Einige hatten echte oder fantastische Tiere daraufgestickt – darunter Keiler und Wölfe, Adler und Drachen –, während andere einfach in Streifen mit den Farben ihrer Besitzer unterteilt waren. Und in der Mitte des Lagers, neben dem hohen Zelt, das dem König gehörte, flatterte das größte Panier von allen: Das glänzende Gold, mit dem das scharlachrote Feld bestickt war, stellte den Löwen der Normandie dar.
Wie viele Männer dort waren, konnte ich nicht beurteilen, obwohl ihre Zahl mit Sicherheit zugenommen hatte, seitdem wir nach Wiltune aufgebrochen waren. Zweitausend Männer hatten Lord Robert nach Northumbria begleitet, aber mir kam es so vor, als wäre diese Streitmacht sogar noch größer. Natürlich waren nicht alle hier Versammelten Kämpfer, denn jeder der Lords hatte mehrere Bedienstete dabei: Männer, die ihnen Essen und Wein brachten, sich um die Pferde kümmerten, ihre Kettenpanzer polierten. Und Handwerker gehörten auch dazu, die an Feuern und Ambossen arbeiteten und vor deren Zelten Kettenhemden an Pfählen hingen: Waffenschmiede, dachte ich, die zerbrochene Panzerung reparierten. Aber es war trotzdem eine beeindruckende Streitmacht. Ich hoffte nur, dass es genug waren.
Ich gab Eudo, der das Banner getragen hatte, solange wir auf der Straße waren, ein Zeichen, und er überreichte es mir, während ich ihm die Zügel meines Streitrosses gab. Vorsichtig breitete ich das Tuch aus; dann spornte ich mit dem Speerschaft in der rechten Hand mein müdes Pferd zu einem leichten Galopp an und ritt weiter auf dem Kamm, damit das Banner sich entfalten konnte. Das schwarz-goldene Tuch erhob sich stolz im Wind, die strahlenden Fäden glitzerten in der tief stehenden Sonne. Ich winkte den anderen zu, mir zu folgen, und begann den steinigen Pfad hinunterzureiten, der bergab zum Lager führte.
Männer schauten von ihren Feuern hoch, als wir näher kamen, und einige riefen uns sogar Grußworte zu, aber die meisten schenkten uns keine Beachtung. Tatsächlich hatten sie auch wenig Grund dazu, denn wir konnten alles Mögliche sein: Späher, die ausgesandt worden waren, das umliegende Gelände auszukundschaften, oder Boten, die mit Anweisungen des Königs zu den Häusern von Lehnsherren in der Umgebung geschickt worden waren. Aber ich hatte gedacht, dass der Anblick der schwarz-goldenen Fahne zumindest ein Wiedererkennen auslösen würde, waren es doch die Farben des Mannes, zu dessen Befreiung dieses ganze Heer aufgeboten worden war.
Wir schlängelten uns zwischen den Zelten hindurch, an Packpferden vorbei, die vor Karren gespannt worden waren, über Pfade, die durch die starke Beanspruchung durch Hunderte von Füßen bereits schlammig geworden waren. Hinter jedem Zelt waren Gruben ausgehoben worden, und der Gestank von Scheiße stieg mir in die Nase.
»Haltet nach dem Sohn des Vicomtes Ausschau«, wies ich die anderen an. »Er sollte hier irgendwo sein.«
Wir
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