Der Pakt - Rügen Thriller
befahl eine innere Stimme.
Nora hatte sie hier im Spa gesehen, etwas, das nicht geplant gewesen war. Das erforderte eine geringfügige Änderung ihres Planes. Sie zog die Perücke mit den gelockten schwarzen Haaren aus der Plastiktüte und tauschte sie gegen die blonde aus. Dank jahrelanger Übung brauchte sie hierfür nur wenige Sekunden und vor allem keinen Spiegel.
Nach einer Weile hörte sie das Klappern der Tür, dann herrschte Stille. Miss Hochsteckfrisur war verschwunden. Juli trat aus der Kabine hinaus und schaute vorsichtig auf den Gang. Dort lief gerade ein in Weiß gekleideter Angestellter hastig zu einem der hinteren Behandlungsräume und trat nach einem schuldbewussten Klopfen ein. War das vielleicht Noras verspäteter Masseur?
Einen Moment später kam der Mann wieder heraus. »Frau Rottmann?«, rief er und kam nach vorn. »Frau Rottmann?«
Die Tür des Dampfbades öffnete sich, Dunstschwaden wehten heraus. Dann erschien Nora Rottmann, die sich das rot-weiße Tuch vor den nackten Körper hielt. »Ja?«
»Ich wollte Ihnen nur sagen, dass ich jetzt da bin«, sagte der Masseur, respektvoll Abstand haltend. »Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung. Wegen eines Unfalls war die L 29 hinter Serams einige Zeit gesperrt.«
»Na schön. Lassen Sie mich schnell duschen«, erwiderte Nora. »Dann komme ich zu Ihnen.«
»Sehr gern. Ich bereite inzwischen alles vor«, erwiderte der Mann und drehte postwendend um.
Liebe Kerstin, dachte Juli, die durch den Türspalt alles beobachtete, bis zu deiner Massage sind es noch ein paar Minuten. Bitte bleib noch ein bisschen genau dort, wo du jetzt bist.
Ihr Stoßgebet wurde erhört. Nach einigen Momenten kam Nora aus der Dusche, trocknete sich ab und zog den Bademantel über. Mit eleganten Schritten verschwand sie in Richtung der Massageräume.
Kerstin war wieder allein.
Plötzlich hörte Juli, wie die Eingangstür aufgerissen wurde. Viel zu schwungvoll für diese Oase der Besinnlichkeit. Zwei Teenager kamen herein, Mädchen um die sechzehn, siebzehn. Unbekümmert schnatterten sie miteinander, während sie neugierige Blicke nach links und nach rechts warfen und dann zum Dampfbad gingen.
Mist, fluchte Juli lautlos. Haut ab, ihr Zicken!
Die Mädchen zogen, unablässig weiter miteinander redend, die Bademäntel aus, wobei die eine ihre prächtige hüftlange Mähne herumwarf. Julis Augen wurden schmal. Die beiden verschwanden ins Dampfbad.
Juli zählte in Gedanken bis dreißig.
Ruhe, mahnte sie sich, bleib ruhig!
Wenige Momente später ging die Tür des Schwitzraumes erneut auf. Kerstin kam heraus, wie zuvor ihre Schwester von weißen Nebelschwaden umgeben. Zielstrebig wandte sie sich den Duschen zu.
Jetzt!
Juli verließ die Toilette und legte ihren Plastikbeutel auf eine Sitz bank aus Holz. Die gläserne Tür des Dampfbades passierte sie mit abgewandtem Gesicht. Sie hatte keine Ahnung, ob die Mädchen ge rade hinausschauten, sah aber keinen Grund, ein Risiko einzugehen.
Kerstin stand unter der großen Schwalldusche und ließ das kalte Wasser genüsslich auf sich herabprasseln. Juli zog langsam das USB-Kabel aus der Bademanteltasche, den Blick auf Kerstins Rücken gerichtet.
Schön weiterduschen, dachte sie, und auf keinen Fall umdrehen!
Mit einer geübten Bewegung wickelte sie das Kabel erneut um beide Hände. Dann machte sie zwei Schritte nach vorn.
36
Manja las nicht in ihrer alten Ermittlungsakte. Jedenfalls noch nicht. Stattdessen hatte sie nach ihrer Rückkehr ins Hotel einen kurzen Zwischenstopp in der Internetecke im Erdgeschoss eingelegt.
Im Archiv der Ostsee-Zeitung fand sie zum Stichwort »Devin Residenz« etliche Artikel. Die DRM GmbH plante in der Tat den Bau eines Luxushotels inmitten des einhundert Hektar großen Naturschutzgebietes vor den Toren Stralsunds. Die Lage hätte nicht idyllischer sein können. Neben riesigen, von Weißdorn- und Ginsterbüschen gesäumten Grasflächen, dem Birkenmoor und einer berühmten Orchideenwiese bot die Halbinsel herrliche Sanddünen, klare Seen und eine fast schon malerische Steilküste. Vor einigen Jahren war hier eine Thermalquelle entdeckt worden.
Das Projekt erfreute sich starker politischer Unterstützung, wenig verwunderlich bei Investitionen in Höhe von über siebzig Millionen Euro. Das Land hatte sich sogar bereit erklärt, die Einstufung Devins als Naturschutzgebiet zurückzunehmen, damit eine Baugenehmigung erteilt werden konnte. Neben dem imposanten Hauptgebäude sollten ein großes
Weitere Kostenlose Bücher