Der Pakt - Rügen Thriller
Gruber?«, ertönte es erneut. »Frau Gruber für halb zwölf?«
Eilig verließ Juli die Toilette und ging zur Zwischentür, die ins Hauptareal des Spa führte. Dort registrierte sie mit einem Seitenblick, dass vor der Panoramasauna vier Paar Schuhe standen. Weiter hinten verließ gerade ein älterer Mann den Ruheraum. Aber soweit sie es erkennen konnte, schaute niemand zu ihr.
Hinter dem Grottenbad gab es eine weitere Toilette. Juli steuerte zielstrebig darauf zu, schloss sich in einer Kabine ein und streifte den Bademantel ab. Dann zog sie den schwarzen Stretchanzug an, der wie eine zweite Haut an ihrem Körper lag. Die Hosenbeine krempelte sie so nach oben, dass ihre Waden unbedeckt waren. Zuletzt warf sie sich den weißen Bademantel wieder über.
Jetzt nichts wie raus!
Als sie an der Milchglastür vorbeiging, hörte sie von drinnen einen spitzen Schrei. Die Angestellte oder die Teenager hatten Kerstin offenbar entdeckt.
Schneller!
Juli ging zum Ausgang des Spa, passierte die schwere Mahagonitür und ging in Richtung des Treppenhauses, ohne der Frau am Tresen einen Blick zuzuwerfen. Zudem rieb sie sich mit der rechten Hand die Wange, so dass die Angestellte später bestenfalls eine schwarzhaarige Frau beschreiben konnte, aber mit Sicherheit kein Gesicht.
Das Treppenhaus war leer. In Gedanken pries Juli die Bequemlichkeit der Hotelgäste. Mit schnellen, aber nicht hastigen Schritten lief sie nach unten in Richtung Tiefgarage, wobei sie den Bademantel auszog und in die Plastiktüte stopfte. Zuletzt setzte sie die Sonnenbrille auf. Natürlich war es merkwürdig, das Hotel im Winter in Badeschlappen und mit Sonnenbrille zu verlassen, aber sie hoffte, dass dieses Detail den Security-Leuten an den Videobildschirmen nicht auffallen würde. Oder dass die Männer sie für einen Gast hielten, der nur schnell etwas aus dem Auto holen wollte.
Am Vormittag war in der Tiefgarage deutlich weniger los als nachmittags. Viele Stellplätze waren frei, so auch die beiden neben Julis Toyota. Aber in weiser Voraussicht hatte sie gestern rückwärts eingeparkt. Die zur Seite zu öffnende Hecktür würde ihr zusätzlichen Schutz vor den neugierigen Augen der Kameras bieten. Juli bückte sich, um den Schlüssel hervorzuholen, den sie heute früh zusammen mit einem Paar Gummihandschuhen hinter dem Vorderrad deponiert hatte. Die Handschuhe streifte sie über, ehe sie die Fahrertür öffnete. Sie startete den Wagen und rollte ein Stück nach vorn, denn für das, was nun kam, benötigte sie Platz. Den Motor ließ sie laufen.
Sie stieg aus und vergewisserte sich, dass im Parkhaus alles ruhig war. Dann begab sie sich hinter das Auto und öffnete die Hecktür. Mit einem Teppichmesser schnitt sie die Plastikfolie auf, um Tino Rückers Leiche freizulegen. Der pestartige Geruch, der ihr entgegenkam, ließ sie schwindeln. Mit angehaltenem Atem arbeitete sie weiter. Zum Schluss band sie auch Rücker eine schwarze Augenbinde um, die sie sorgfältig mit einem doppelten Knoten versah. Mit zusammengebissenen Zähnen zog sie die Leiche nach vorn, immer weiter an die Ladekante heran, bis der schwere Körper schließlich auf den schwarzen Asphalt der Garage sackte. Juli schloss die Hecktür, machte, dass sie ans Steuer kam, und gab Gas.
Falls die Wachleute beobachtet hatten, was da vor sich ging, hatten sie jedenfalls nicht schnell genug reagiert. Denn die rot-weiße Schranke sprang gehorsam nach oben, als Juli mit dem Toyota heranfuhr. Die Schillerstraße war leer. Zügig machte sie sich in Richtung Ortsausgang davon.
38
Manjas Ermittlungsakte bestand aus vier dicken Ordnern. Sie hatte gerade mit dem ersten begonnen, als es hektisch an ihre Tür klopfte. »Frau Koeberlin?«, hörte sie eine unterdrückte Stimme. »Sind Sie da?«
Es war Walter, der Concierge.
Manja erhob sich von ihrem Bett, auf dem sie es sich mit ihren Unterlagen und einer Tafel Marzipanschokolade bequem gemacht hatte, und lief zur Tür. »Was ist denn los?«
»Kommen Sie! Schnell, um Gottes willen!«, sagte Walter mit halblauter Stimme. »Es gibt zwei neue Todesfälle.«
Manja eilte mit ihm zum Fahrstuhl. »Wie bitte? Gleich zwei?«, zischte sie.
Eine Stunde später befand sich das Windwood im Ausnahmezustand.
Die Tiefgarage war für den Besucherverkehr gesperrt, das Spa ebenfalls. Polizisten in weißen Schutzanzügen und Überschuhen begannen mit der Spurensicherung. Andere Beamte saßen in der Security-Zentrale und sahen sich die Videoaufzeichnungen an.
Die
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