Der Paladin
ließ es einfach in Ruhe schmerzen, bis Jiro neugierig hereinkam und ihm mit dem Maul gegen die Schulter stieß.
Er tätschelte die dargebotene Wange und rappelte sich auf.
Er wünschte, sie hätten ihn getötet, das war es. Das hatte er noch nie gedacht, aber jetzt, da ihm klarwurde, daß seine Jugend vorbei war und daß seine Zukunft hier lag und mit jedem Jahr weniger wurde, wünschte er es.
So weit hatte ihn das Mädchen gebracht, daß er wieder die verstrichene Zeit zählte, die Jahreszeiten, daß er die Veränderungen wahrnahm, welche die Zeit in ihm bewirkt hatte und noch bewirkte, bis er dieses Jahr gescheitert war, als er es mit einem sechzehnjährigen Mädchen hatte aufnehmen wollen.
Er warf die Strohballen in das abgetrennte Ende des Stalls, außerhalb von Jiros Reichweite, dann kehrte er zum Pfad zurück. Als Taizu ihm mit einem Ballen entgegenkam, lag ein Teil des Abstiegs bereits hinter ihm.
Auch
sie
schwitzte nun und war außer Atem, und so kam er sich halbwegs ritterlich vor, als er sagte: »Das nehme ich. Wie viele sind es noch?«
»Noch zwei.«
»Geh wieder hinunter«, befahl er.
Er schulterte den Packen, warf ihn am Rand der Lichtung ab und ging wieder über den Pfad hinunter, bis er ihr abermals begegnete, diesmal jedoch viel weiter unten.
Als sie sich begegneten, hielt sie an. Sie reichte ihm ihren Ballen und wollte den letzten holen.
»Nein«, sagte er, sich mit der Last halb umwendend, »das ist zuviel für ein Mädchen. Steig hinauf zum Hügel.«
»Das schaffe ich schon«, sagte sie, und mit schweißüberströmtem Gesicht und nach Luft ringend fand sie ihr Gleichgewicht auf dem schmalen Pfad wieder und stürmte den Weg zurück, den sie gekommen war.
Er starrte ihr nach, schweratmend, erschöpft und mit einem bitteren Kupfergeschmack im Mund. Er sah ihr lange nach, dann schulterte er den Ballen und schleppte sich den Pfad hinauf, ständig mit den überhängenden Ästen kämpfend, bis er vor dem letzten Hang stand, wo der Bewuchs weniger stark war. Er bekam wieder Luft, und nun kam er eigentlich recht gut voran, abgesehen von den Schmerzen im Bein.
Er verlagerte die Schnüre auf den Schultern, holte tief Luft und nahm die letzte Steigung im Laufschritt. Er schaffte es bis zur Spitze, fiel auf ein Knie, als sich der Ballen an einem Ast verfing, und hatte einen Moment lang, blind vor Schmerz, nicht die Kraft, sich von dem verdammten Ding zu befreien.
Mit einem heftigen Stoß richtete er sich wieder auf. Irgend etwas riß im großen Muskel über dem Knie, und der Ballen stieß mitsamt der Schulter gegen einen Baum, sonst wäre er vor lauter Schmerzen abermals gestürzt. Speichel floß ihm aus dem Mund; die Sicht verschwamm; als er zu sich kam, stand er immer noch an den Baum gelehnt, und die Schnüre schnitten ihm in die Schultern. Er wußte nicht, wie er weitergehen sollte, ohne hinzufallen; aber er wußte, daß das Mädchen bald den Pfad heraufkommen würde, er wollte verdammt sein, wenn er sich so vor ihr sehen ließ.
Und so fand er sein Gleichgewicht wieder, stieß sich vom Baum ab und kletterte den Rest des Wegs, indem er sich mit den Händen von Ast zu Ast zog, bis er die ebene Fläche der Lichtung erreicht hatte und sich auf zitternden Beinen der fernen Hütte gegenübersah, nicht sicher, ob das rechte Knie sein Gewicht auch nur noch einen Schritt weiter tragen würde.
Es ging, wenn auch mühsam. Er ging – erkannte durch seinen Schmerz hindurch, daß der Stall näher lag und er das Stroh dorthin bringen könnte, aber er wollte auf der Veranda sitzen, das war alles, woran er denken mochte, und unmittelbar vor ihm lag eine Strecke, die er bewältigen sollte; wenn er sich auf dem Bein umgedreht hätte, wäre er womöglich in den Dreck gefallen, und er wollte den Ballen nicht abwerfen und zugeben, daß er nicht mehr konnte.
Irgendwie erreichte er die Veranda. Er warf den Ballen ab. Er setzte sich auf den Rand der Veranda und spürte die Kälte des Windes auf den schweißnassen Kleidern.
Das Mädchen würde den Hügel heraufkommen und ihn hilflos dasitzen sehen; im Moment konnte er nicht einmal die Treppe hochsteigen, um sich in der Hütte auf seine Matte zu legen; und er hatte keine Lust, die Stufen hochzukriechen und sich dabei erwischen zu lassen.
Morgen, dachte er, morgen würde das ganze Bein steif werden. Morgen wäre er
tatsächlich
ein Krüppel; und er sann über die Erniedrigung seiner Lage nach und verspürte den Wunsch, in den Wald zu gehen, sollte das Mädchen
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