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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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fernen Bergen, die der Nebel verschleierte, grollte Donner. Blitze zuckten über den Himmel und erhellten den Zypressenwald zu beiden Seiten der Fernstraße. Die Männer saßen mit eingezogenen Köpfen im Sattel, um sich vor dem strömenden Regen zu schützen. Sano tropfte das Wasser von der Krempe seines großen Strohhuts ins Gesicht und rieselte auf seinen Umhang und die Rüstung. Die Pferde wirbelten mit ihren Hufen den Schlamm in den Pfützen auf. Doch diese Unbequemlichkeiten sorgten Sano am wenigsten. Obwohl er und Yanagisawa sofort ihre Truppen gesammelt hatten und nach Westen aufgebrochen waren, nachdem sie am Abend zuvor die Erlaubnis des Shōgun erhalten hatten, zur Halbinsel Izu zu reiten, kamen sie kaum voran.
    Sie waren die ganze Nacht geritten und hatten gerade erst Oiso passiert, das auf halber Strecke lag. Der Verkehr außerhalb Edos und die steile Wegstrecke am Meer entlang hatten den Ritt behindert. Zum Glück konnten sie dank des hohen Ranges Yanagisawas sämtliche Kontrollstationen mühelos passieren. Ein übereilter Ritt hätte die Pferde zu schnell ermüdet, und in den Ställen der Dörfer standen nicht ausreichend Ersatztiere zur Verfügung. Der Transport der zwanzig kleinen Holzboote, die sie bei sich führten, um Soldaten, Waffen und Munition auf die Insel zu schaffen, verringerte zusätzlich die Geschwindigkeit.
    Zu Beginn der Expedition waren die Boote in Ochsenkarren transportiert worden; später mussten die Karren zurückgelassen werden, weil man damit nicht die Flüsse überqueren konnte. Jetzt mussten die Fußsoldaten die Boote mühsam tragen. Das Tokugawa-Regime untersagte den Bau von Brücken an den Fernstraßen, um die Truppenbewegungen möglicher Feinde zu behindern und Rebellionen vorzubeugen; nun erwiesen diese Maßnahmen sich als erhebliche Behinderung ihrer Rettungsaktion. Bei dieser Geschwindigkeit würden sie die Insel erst morgen erreichen. Sano befürchtete, dass diese Verzögerung die entführten Frauen das Leben kosten könnte. Hätte er die Identität des Drachenkönigs und seinen Aufenthaltsort doch nur früher herausgefunden! Hätte Hirata ihm die Information doch gebracht! Sano fragte sich, was aus Hirata, Marume und Fukida geworden war.
    Plötzlich hörte er trotz der lauten Donnerschläge Schreie. Die Truppe kam zum Stehen.
    »Warum halten wir?«, fragte Sano den Ermittler Inoue, der an seiner Seite ritt.
    Inoue blickte blinzelnd in den strömenden Regen. »Es sieht so aus, als würde jemand die Straße versperren.«
    Sano stellte sich in die Steigbügel, spähte ungeduldig über Yanagisawas Truppen hinweg und erkannte Fahnen mit dem Tokugawa-Wappen. »Es ist das Heer«, sagte er. »Wir haben das Heer eingeholt, das der Shōgun ausgeschickt hat.«
    Diese Nachricht erfreute den sōsakan-sama. Wenn das Heer Izu noch nicht erreicht hatte, konnte er mithilfe des Kammerherrn die Belagerung des Drachenkönigs verhindern. Als die Unterbrechung sich in die Länge zog, fragte Sano sich, warum der Marsch nicht fortgesetzt wurde. Dort, wo das Heer mit Sanos und Yanagisawas Truppen zusammengestoßen war, erklangen wütende Stimmen. In den Rängen der Soldaten entstand Unruhe. Sano, der den Grund für die Verzögerung erfahren wollte, führte sein Pferd an den Reihen der Soldaten entlang, bis er Yanagisawa erreichte. Der Kammerherr, der durchnässt auf einem schwarzen Hengst saß, diskutierte lautstark mit einem fülligen, berittenen Samurai, dessen Helm mit einem goldenen Geweih geschmückt war. Sano erkannte General Isogai, den obersten Befehlshaber des Tokugawa-Heeres.
    »Ich selbst übernehme die Rettungsaktion«, sagte Yanagisawa soeben und zeigte auf sein tausend Mann starkes Heer, das vor ihm und General Isogai auf der Straße wartete. »Kehrt mit Euren Truppen um. Geht nach Hause.«
    »Das werde ich nicht tun«, erwiderte der General. »Der Shōgun hat uns ausgeschickt, um seine Mutter zu retten, und ich werde meine Pflicht erfüllen.«
    »Ihr tut, was ich sage, oder Ihr werdet es bitter bereuen«, drohte Yanagisawa.
    General Isogai lachte verächtlich. »Ich nehme keine Befehle von Euch entgegen. Und falls Ihr es noch nicht bemerkt habt – Eure Drohungen haben dieser Tage nicht viel Gewicht.« Er galoppierte an die Spitze seiner Truppen und rief: »Vorwärts!«
    Das Heer galoppierte die Fernstraße hinunter. Wütend über seine Hilflosigkeit, blickte Yanagisawa dem General hinterher. Sano konnte kaum glauben, dass jemand es wagte, in diesem Ton mit dem Kammerherrn zu

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