Der Palast
rühren.«
Dass Niu selbst ein Verrückter war, wusste Hirata, seit der Fürst seinen Rachefeldzug gegen ihn aufgenommen hatte. »Ihr habt bereits mehr als einen Finger gerührt«, sagte er. »Als Midori nach unserer Heirat hierher zu Besuch kam, habt Ihr sie einsperren lassen und ihr gedroht, sie zu töten, wenn sie sich nicht von mir scheiden lässt.« Die Erinnerung ließ in Hirata wieder heiße Wut auf Niu auflodern. »Ihr habt sie erst freigelassen, als ich mit einem Trupp Bewaffneter erschien und Euch gezwungen habe, mir die Gemahlin zurückzugeben.«
»Midori wollte bleiben«, log Fürst Niu dreist. »Ihr habt sie gegen ihren Willen von hier weggeholt!«
»Einen Monat später habt Ihr so getan, als hättet Ihr mir vergeben, und habt mich zu einem Festmahl eingeladen«, fuhr Hirata fort, als hätte er Niu gar nicht gehört. »Ich saß neben Euch, als wir aßen und tranken. In der Nacht darauf bekam ich heftige Magenkrämpfe und Durchfall und musste mich übergeben – als einziger Gast des Festessens. Einer der Ärzte im Palast sagte mir, ich sei vergiftet worden. Und das habt Ihr getan! Ihr habt versucht, mich zu ermorden.«
»Dummes Geschwätz!«, stieß Fürst Niu in gespielter Empörung hervor. »Was kann ich dafür, wenn Ihr zu viel trinkt?«
»Und in diesem Frühjahr wurde ich in der Stadt von einer Horde Meuchelmörder angegriffen«, fuhr Hirata fort. »Als meine Männer und ich den Kampf aufnahmen, rannten die Kerle davon, doch zuvor konnte ich noch einen genaueren Blick auf sie werfen.« Hirata zeigte auf einen der Wachposten, einen Mann mit kantigem Gesicht, der an einem Fenster stand. »Der da war ihr Anführer. Zu schade, dass Eure Leute unfähige Feiglinge sind.«
Der Wachposten zuckte bei Hiratas Worten zusammen und trat drohend einen Schritt vor, doch ein warnender Blick Fürst Nius ließ den Mann innehalten. In einer trotzigen Geste verschränkte Niu die Arme vor der Brust; sein linkes Auge starrte Hirata an, während sein rechtes ins Nichts blickte. »Ihr irrt Euch«, sagte er. »Die Männer, die Ihr gesehen habt, waren nicht meine Leute. Sie müssen von einem Eurer anderen Feinde geschickt worden sein. Und jetzt habe ich genug von Euren falschen Anschuldigungen. Verschwindet!«
Doch Hirata hatte weitere Beweise, dass Niu nicht davor zurückschreckte, Blut zu vergießen, um seine Rachegelüste zu befriedigen. Als Hirata sich bei Midori nach dem Grund für das Verhalten ihres Vaters erkundigt hatte, hatte sie zugegeben, dass er schon immer unberechenbar und brutal gewesen sei – ein Mann, der seinen Hass auf die Tokugawa abreagierte, indem er seine Konkubinen schlug, seine Gefolgsleute tyrannisierte und in seiner Provinz auf Mord- und Raubzüge ging, wobei er unschuldige Bauern und Dörfler niedermetzelte. Nius Familie hatte die Verbrechen und die grausamen Ausschweifungen des Fürsten vertuscht, so gut es ging. Hirata zählte zu den wenigen Menschen, die wussten, dass es im Niu-Klan immer schon Fälle von Geisteskrankheit gegeben hatte. Und er war sicher, dass Nius Hass auf ihn den Wahnsinn des Fürsten verschlimmert und ihn dazu getrieben hatte, die eigene Tochter und die anderen Frauen entführen und ihr Gefolge abschlachten zu lassen.
»Ich habe genug von Euren Ausreden.« Hirata trat auf Fürst Niu zu. »Sagt mir, was Ihr mit Midori -san und den anderen Frauen angestellt habt.«
Wenngleich der daimyo Hirata nur bis zur Schulter reichte, war das Grinsen auf seinem Gesicht Furcht einflößend. »Ich kann sie gar nicht entführt haben. Ich war die ganze Zeit hier in Edo. Meine Leute können es bezeugen.« Mit trotzig vorgerecktem Kinn starrte er seine Männer an.
»Der Fürst spricht die Wahrheit«, sagte Okita mit fester Stimme. Der Leibdiener und die Wachposten nickten beipflichtend. »Er hat die Frauen nicht entführt. Er hat nicht einmal sein Anwesen verlassen.«
Doch das Alibi konnte Hirata nicht überzeugen. Diese Männer hatten Fürst Niu einen Treueid geschworen. Falls sie ihm bei seinen Verbrechen behilflich gewesen waren, würden sie bedenkenlos lügen, um ihren Herrn zu schützen.
»Dann habt Ihr Truppen geschickt oder Söldner in Dienst genommen, damit Ihr Euch nicht die Hände schmutzig macht«, sagte Hirata. Wieder erfasste ihn Zorn – und nicht nur, weil er Niu für den Entführer der Frauen hielt: Der daimyo hatte ihm und Midori die Hochzeit verdorben und Hiratas Vorfreude auf die Vaterschaft getrübt. Hirata ballte die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte er
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