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Der Palast

Der Palast

Titel: Der Palast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rowland
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sich ziehen. Reiko schrie auf und warf instinktiv die Arme hoch, um sich zu wehren, erinnerte sich dann aber an die Warnung des Samurai, sich freundlich zu verhalten, um das Leben ihrer Freundinnen nicht zu gefährden. Der Drachenkönig zog seine Hände zurück und drehte die Handflächen nach oben, um Reiko zu beweisen, dass er nichts Böses im Schilde führte. Sein besorgtes, versöhnliches Lächeln steigerte Reikos Unbehagen.
    »Kommt, wir wollen unser Wiedersehen mit einem Festessen feiern«, sagte er.
    Er trat an ihre Seite. Seine Hand umfasste ihren Ärmel und zog sie durch den Raum und das Podium hinauf. An der Wand lag ein Tischtuch mit einer Sake-Karaffe, zwei Schalen, zwei Paar Essstäbchen und Schüsseln mit kaltem Reis, gebratenem Fisch, Gemüse und eingekochten Früchten. Widerstrebend kniete Reiko auf dem Platz nieder, den der Drachenkönig ihr anbot. Er kniete sich dicht neben sie, schenkte Sake ein und reichte ihr eine Schale.
    »Lasst uns auf einen Neubeginn trinken«, sagte er und hob die Schale, wobei er Reiko mit Blicken verschlang, bevor er trank.
    Reiko hatte das Gefühl, der Mann würde ein seltsames Spiel spielen, das er allein kannte. Doch das Bedürfnis, ihre Freundinnen zu beschützen, zwang Reiko, mitzuspielen und die Schale zu leeren. Der Alkohol brannte wie ätzendes Gift in ihrer Kehle.
    »Bitte, greift zu, Anemone.«
    Reiko nahm die Essstäbchen in die Hand und gehorchte. Trotz ihres großen Hungers blieb ihr jeder Bissen im Hals stecken. Sie wollte den Glauben des Fremden an die Wirklichkeit seiner Fantasiewelt nicht stärken. Welchen Zusammenhang könnte es zwischen seinen Fantasien und dem Verbrechen geben?
    Der Drachenkönig goss Sake nach und trank. Er aß nichts, sondern beobachtete stattdessen Reiko. »Ihr seid so still, meine Liebe. Worüber denkt Ihr nach?«
    Reiko nahm ihren Mut zusammen und sagte: »Warum tut Ihr das?«
    Der Drachenkönig fuhr zusammen, als wäre er soeben aus einem Traum erwacht. Offenbar wusste er nicht, was sie meinte.
    »Ich möchte wissen, warum Ihr uns entführt habt«, erklärte Reiko, und jetzt allmählich schien der Mann zu begreifen. »Wenn Ihr Geld haben wollt, wird meine Familie Euch jede Summe zahlen. Die Angehörigen Midoris und Fürstin Yanagisawas ebenfalls. Und der Shōgun würde den gesamten Staatsschatz der Tokugawa hergeben, um seine Mutter zurückzubekommen.«
    »Ich will kein Geld.« Der Drachenkönig wies diesen Gedanken mit einem Kopfschütteln zurück. »Das Ziel meines Plans ist Gerechtigkeit, kein Reichtum. Gerechtigkeit und Rache. Beides verlangt Blutopfer der Unschuldigen ebenso wie des Schuldigen.«
    Reiko verstand die Worte des Drachenkönigs nicht. »Ihr wollt Rache? Wofür?«, fragte sie verwirrt. »Was haben diese Menschen Euch getan, die Ihr an der T ō kaid ō habt töten lassen?«
    »Nichts«, lautete seine knappe Antwort. Allem Anschein nach bedauerte er das Massaker nicht. »Sie waren nur im Weg.«
    »Und deshalb mussten sie getötet werden, damit Ihr Fürstin Keisho-in, Fürstin Yanagisawa, Midori und mich entführen konntet?« Der Drachenkönig nickte. »Aber wir haben Euch nichts getan«, fuhr Reiko fort. »Ihr habt keinen Grund, uns gefangen zu halten und zu misshandeln.«
    »Wirklich nicht?« Seine Augen funkelten wütend, und er beugte sich zu Reiko vor und spie ihr die Worte ins Gesicht. »Habt Ihr mich denn nicht erniedrigt und zu verderblichem Handeln getrieben?«
    Sein jäher Stimmungswechsel machte Reiko Angst. Sie versuchte aufzustehen, doch durch die Risse in den Türen sah sie die Männer auf der Veranda, die Pfeile in ihre Bögen spannten und auf sie richteten. Reiko dachte an ihre hilflosen Freundinnen und ließ sich wieder auf die Knie sinken.
    »Habt Ihr mich nicht zu Eurem treuen Sklaven gemacht, während Ihr anderen Eure Gunst geschenkt habt?«, fragte er. »Habe ich nicht durch Eure Schuld schreckliches Leid erlitten? Habt Ihr nicht mein Herz gebrochen und mich dann verlassen?« Sein Stimme kippte über, als er schrie: »Hure! Dämonin!«
    Er verpasste Reiko eine schallende Ohrfeige; ihr Kopf flog zur Seite, und ihr Blick wurde verschwommen. Sie schrie vor Schmerzen auf und prallte auf den harten Boden. Der Drachenkönig beugte sich über sie und murmelte zärtliche Worte des Trostes.
    »Verzeiht mir, dass ich Euch geschlagen habe«, bat er. »Wie kann ich es wieder gutmachen?«
    Sein Trost stieß Reiko ebenso ab wie seine Gewalttätigkeit. Sie spürte brennenden Schmerz auf der Wange und schmeckte

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