Der Papstkäufer
ahnte, dass sie, sollte er Zinks Forderungen nachgeben, eine imaginäre Grenze des Anstands überschreiten würden. Obwohl Anstand nicht sonderlich hoch im Kurs stand, sogar hier im Vatikan schien es Grenzen dafür zu geben.
Zum Ende des Jahres hatten sich Zink und der Papst so weit angenähert, dass Albrechts Gesandte, als sie am 2. Dezember in Mainz eintrafen, nicht mit leeren Händen kamen.
Zink hatte auf der ganzen Linie gesiegt und alle seine Forderungen durchsetzen können.
Als die Details der Abmachung innerhalb der Kurie bekannt wurden, wollten selbst die korruptionserfahrenen Beamten nicht glauben, was sie da lasen, und verhängten erst einmal Geheimhaltung. Bis der Papst offiziell seinen Segen gab.
Die Vereinbarung beinhaltete Folgendes:
Der offizielle Titel des Ablasses lautete: ›Jubelablass für den Bau der Sankt-Peters-Kirche in Rom‹. Dies war natürlich schamlos gelogen, war der Ablass doch ausschließlich zur Tilgung der Hohenzollern-Schulden bei der Firma Fugger bestimmt.
Der frischgebackene dreifache Bischof durfte auf einem Gebiet, das beinahe die Hälfte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ausmachte, Gelder von den Gläubigen eintreiben. Beziehungsweise eintreiben lassen. Denn auch das sollten ja die Fugger erledigen.
Während gewöhnliche Ablässe über ein bis drei Jahre lang liefen, sollte der ›Jubelablass für den Bau der Sankt-Peters-Kirche in Rom‹ sage und schreibe acht Jahre lang gültig sein!
Und unkündbar dazu. Zink hatte sich wirklich nach allen Seiten hin abgesichert.
Als Stichtag für den Jubelablass war, heuchlerisch und schamlos wie das ganze Konstrukt, rückwirkend der 1. August 1514 festgelegt worden: Der Tag, an dem Raffaelo Santi seine Arbeit als Architekt der neuen Peterskirche aufgenommen hatte.
Mit einer päpstlichen Bulle, die Ende des darauffolgenden März unterzeichnet wurde, schaffte Papst Leo X. weitere Tatsachen. Und für solche, die man am besten weiterhin unter dem Tisch ließ, erließ der Papst zwei Wochen später einen geheimen inneren Dienstbefehl – auch ›Motu proprio‹ genannt –, der nur intern, innerhalb des Vatikans, kursierte.
Denn gleichzeitig wurden fast alle anderen Ablässe im Reich für ungültig erklärt. Aber, und hier zeigte sich erneut die hohe, tückische Verhandlungskunst Johannes Zinks, erstaunlicher Weise nur fast alle, denn die aktuellen Ablassverträge der Fugger, wie zum Beispiel der ›Konstanzer-Münster-Ablass‹ oder der für das Augsburger Dominikaner-Kloster, waren als Einzige nicht betroffen.
Somit hatte Zink für die Firma Fugger praktisch ein Monopol auf das gesamte Gnadenwesen, oder besser gesagt, für die Ausbeutung der Ängste der Gläubigen, in weiten Teilen Deutschlands ausgehandelt.
Und das für acht lange Jahre.
Der treue, loyale und vor allem schweigsame Blankenfeld ging ebenfalls nicht leer aus: Er wurde zum Bischof von Reval befördert und erhielt die Rechte für einen Sonderablass für Skandinavien und Litauen.
In Augsburg herrschte große Freude, als Einzelheiten des Ablasshandels bekannt wurden. Jakob Fugger war voll des Lobes für seinen römischen Faktor.
Anderer Meinung waren die Gegner der Fugger wie auch der Hohenzollern. Den Wettinern stand buchstäblich der Schaum vor dem Maul. Und viele Kleriker, die dem ernsthaften, besonnenen Lager zuzurechnen waren, schimpften von den Kanzeln über diese päpstliche Entscheidung. Nur: Niemand, selbst Kenner der Materie, konnte so recht verstehen, wie es die Fugger geschafft hatten, den Papst zu diesem ungeheuren Ablass von nie gesehenem Ausmaß zu überreden. Zink operierte ja im Geheimen, also wurde allgemein angenommen, dass Jakob Fugger, im Auftrag Albrechts von Brandenburg, hinter der Sache steckte.
Letzten Endes war die Auflösung dieses Mysteriums simpel und banal, erklärbar durch die ungeheure Geldgier des Papstes: Neben diversen Bestechungsgeldern hatte Johannes Zink dem Papst die Hälfte aller Erträge versprochen. Bei anderen Ablässen war ein Drittel die übliche Summe gewesen.
So einfach war das …
29
Um die immer stärker werdende Kritik am Treiben von Fugger und Zink auszuhebeln, suchten die beiden nun händeringend Verbündete. Mächtige, einflussreiche Verbündete.
»Kennt Ihr den Johannes Eck?«, fragte Johannes Zink bei einem ihrer Treffen in Augsburg seinen Arbeitgeber. Fugger nickte beiläufig, seine Gedanken waren woanders. Er addierte gerade lange Zahlenreihen in einer schweren
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