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Der Partner

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Titel: Der Partner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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versuchte, Patrick nicht anzustarren, aber er wurde unwillkürlich von dessen Gesicht angezogen. Es war schmal, fast hager, mit einem kantigeren Kinn und einer feiner gestalteten Nase als früher. Man hätte ihn leicht für jemand anders halten können, wenn da nicht die Augen gewesen wären. Und die Stimme. Die war unverwechselbar.
    »Danke, dass du gekommen bist«, sagte Patrick. Er sprach sehr leise, so als erfordere der Akt des Sprechens sehr viel Nachdenken und Mühe.
    »Gern geschehen. Aber ich hatte kaum eine andere Wahl. Deine Freundin verfügt über sehr viel Überzeugungskraft.«
    Patrick schloss die Augen und biss sich auf die Lippen. Er sprach ein rasches Dankgebet. Sie war irgendwo da draußen, und es ging ihr offenbar gut.
    »Wieviel hat sie dir gezahlt?« fragte er.
    »Hunderttausend.«

    »Gut«, sagte Patrick, dann schwieg er wieder. Eine lange Pause, und Sandy begriff allmählich, dass ihre Unterhaltung von langen Phasen der Stille durchzogen sein würde.
    »Es geht ihr gut«, sagte er. »Sie ist eine wunderschöne Frau und außerdem sehr intelligent. Und sie scheint alles perfekt unter Kontrolle zu haben. Nur für den Fall, dass du dir Gedanken machen solltest.«
    »Das ist gut.«
    »Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?«
    »Vor ein paar Wochen. Mir ist jegliches Zeitgefühl abhanden gekommen.«
    »Was ist sie - Ehefrau, Freundin, Geliebte, Nutte -«
    »Anwältin.«
    »Anwältin?«
    »Ja, Anwältin.« Sandy fand das irgendwie amüsant. Patrick schaltete wieder ab, keine Worte, keinerlei Bewegung unter dem Laken. Minuten vergingen. Sandy setzte sich auf den einzigen Stuhl im Zimmer, bereit und willens, auf seinen Freund zu warten. Patrick war in eine hässliche Welt zurückgekehrt, in der die Wölfe lauerten, und wenn er daliegen und an die Decke starren wollte, so hatte Sandv nichts dagegen. Sie würden noch genügend Zeit zum Reden haben. Und bestimmt keinen Mangel an Themen.
    Patrick war am Leben, und im Augenblick war das das einzige, was wirklich zählte. Sandy versuchte sich an die Beisetzung zu erinnern, an den Sarg, der an einem kalten Tag mit wolkenverhangenem Himmel in die Erde gesenkt worden war, an die letzten Worte des Priesters und Trudys beherrschtes Schluchzen. Die Vorstellung, dass der alte Patrick sich auf einem Baum ganz in der Nähe versteckt gehalten und zugeschaut hatte, wie alle Welt um ihn trauerte, wie seit nunmehr drei Tagen überall berichtet wurde, hatte etwas durchaus Belustigendes. Er war irgendwo in Deckung gegangen, dann hatte er abkassiert. Manche Männer brechen zusammen, wenn sie auf die Vierzig zugehen. Die Midlife-crisis treibt sie zu einer neuen Frau oder zurück ins College. Nicht den alten Patrick. Er hatte seine Ängste überwunden, indem er sich selbst unter die Erde brachte, neunzig Millionen Dollar stahl und verschwand.
    Die echte Leiche im Wagen ließ Sandy abrupt in die Realität zurückkehren. Er wollte reden. »Auf dich wartet zu Hause ein hübsches Begrüßungskomitee, Patrick«, sagte er.
    »Wer führt den Vorsitz?«
    »Schwer zu sagen. Trudy hat vor zwei Tagen die Scheidung eingereicht, aber das scheint mir das geringste deiner Probleme.«
    »Damit hast du recht. Lass mich raten - sie will die Hälfte des Geldes.«
    »Sie will eine Menge Dinge. Aber das wirklich wichtige ist, die Grand Jury hat dich des vorsätzlichen Mordes angeklagt. Die des Staates Mississipi, nicht die des Bundes.«
    »Ich habe es im Fernsehen verfolgt.«
    »Gut. Also bist du über sämtliche gegen dich anhängige Klagen informiert.«
    »Ja CNN hat sein Bestes getan, um mich auf dem laufenden zu halten.«

    »Daraus kannst du den Leuten keinen Vorwurf machen, Patrick. Die Geschichte ist einfach zu schön, um wahr zu sein.«
    »Danke.«
    »Wann möchtest du reden?«
    Patrick drehte sich auf die Seite und schaute an Sandy vorbei. Es gab dort nichts anderes zu sehen als die in einem antiseptisch wirkenden Weiß gestrichene Wand. Sein Blick verlor sich. »Sie haben mich gefoltert, Sandy«, sagte er sehr leise und mit zittriger Stimme.
    »Wer?«
    »Sie haben Drähte an meinem Körper angebracht und Strom durch mich hindurchgejagt, bis ich geredet habe.«
    Sandy stand auf und trat an die Bettkante. Er legte eine Hand auf Patricks Schulter. »Was hast du ihnen erzählt?«
    »Ich weiß es nicht. Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern. Sie haben mich ständig unter Drogen gesetzt. Hier, sieh dir das an.« Er hob den linken Arm, so dass Sandy die Blutergüsse sehen konnte.
    Sandy

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