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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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darüber gemacht, was eine Gruppe von älteren Exzentrikern von ihm hielt? Selbst wenn sie ihn noch einmal einlüden, er würde ablehnen.
    Morgen tagte die Tumor-Kommission. Er war neugierig, wie Arthur ihn behandeln würde.
    Dann kam ihm ein Gedanke: Vielleicht hatte
Arthur
den Artikel geschickt.
    Nein, der Pathologe schrieb mit einem Füllfederhalter, benutzte dieses schwere blaue Büttenpapier. Ein konservativer Mann – ein Sammler von antiken Dingen, wie von den altmodischen Anzügen und dem alten Wagen bezeugt wurde.
    Eine getippte Nachricht auf etwas derart Banalem wie einer Karteikarte wäre untypisch für ihn gewesen.
    Es sei denn, Arthur verbände eine bestimmte Absicht damit.
    Das indirekte Vorgehen würde passen – das sähe dem Pathologen ähnlich. Gesellig an einem Tag, frostig am nächsten.
    Jemand, der gern Spiele spielte, aus allem ein Rätsel machte. War das eine Herausforderung an Jeremy, sich einen Reim darauf zu machen?
    Ablation von kornealem Gewebe? Laserchirurgie am Auge? Hatte Arthur angenommen, Jeremy würde seine eklektischen Interessen teilen? Der alte Mann hüpfte von Schmetterlingen über Karzinome zu großen Diskussionen über wirklich wichtige Themen, warum also nicht Laserskalpelle?
    Trotzdem war daran, wie er an Jeremy herangetreten war, nichts Oberflächliches gewesen. Im Gegenteil, Arthur hatte versucht, Gemeinsamkeiten zwischen ihnen festzustellen. Den Ort, wo Pathologie und Psychologie zusammentreffen. Der kalte schwarze Raum, wo perverse Köpfe blutige Morde verübten.
    Die Wurzeln extrem schlimmen Verhaltens.
    Arthur hatte ein sehr deutliches Ziel vor Augen gehabt, und Jeremy hatte nicht falsch gelegen mit seiner Annahme, dass seine Einladung zum Abendessen damit etwas zu tun hatte.
    Er erinnerte sich daran, wie sich die Stimmung im Raum trübte, nachdem jemand – der Schriftsteller, Maynard, da war er ziemlich sicher – gesagt hatte: »Zweckdienlichkeit siegt über Tugend.«
    »Wieder einmal«, hatte Balleron, die Richterin, hinzugefügt.
    Dann das Schweigen. Nichts Schwerwiegendes war debattiert worden – irgendwas über Früchte, Grapefruits. Nein, diese anderen Dinger – Pomelos. Süßer Geschmack, ließen sich aber nicht gut transportieren.
    Und doch hatte sich die Stimmung im Raum verändert, wenn auch nur für einige Augenblicke.
    Zweckdienlichkeit siegt über Tugend.
    Was für ein seltsames Häuflein – kein Grund, einen weiteren Gedanken an sie zu verschwenden.
    Das Gleiche galt auch hierfür – Laserskalpelle … bloß ein postalischer Querschläger; er machte einfach zu viel daraus.
    Füllte seinen Kopf mit dem Treibgut willkürlicher Gedanken, weil er sich vor seinem Kapitel drücken wollte.
    Dennoch kreisten seine Gedanken weiter um Arthur. Der ihn aus keinem erkennbaren Grund kühl behandelte – eigentlich unhöflich.
    Ein Rätsel. Aber kein wichtiges.
    Jeremy faltete ein Flugzeug aus der Karte und ließ sie in den Papierkorb fliegen. Und den Artikel gleich hinterher. Den Umschlag ebenso, zum Teufel mit der Verpflichtung zur Kostensenkung.
    Zwei Absätze Kapitelentwurf starrten ihn von seinem Schreibtisch aus an.
    Es war Zeit, den Blödsinn aus dem Weg zu schaffen. Sich mit seiner kreativen Unzulänglichkeit auseinander zu setzen.

19
    Es war 22 Uhr, und sie lagen in Angelas Bett, nackt und hellwach.
    Sie waren seit fast drei Stunden zusammen. Angela hatte angerufen, als Jeremy gerade Vorbereitungen traf, das Krankenhaus zu verlassen. Sie sagte: »Gut, ich hab dich erwischt.« Ihre Stimme war kaum zu hören.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Klar«, sagte sie. »Nein, ich lüge dich an. Können wir uns treffen, vielleicht zu einem schnellen Abendessen, und dann zu mir gehen?«
    »Das klingt nach einem Plan. Irgendwas Bestimmtes zum Abendessen?«
    »Wie wär’s mit diesem Italiener drüben am Hampshire – Sarno? Es ist nicht weit, und ich muss mir die Beine vertreten.«
    »Dann eben Sarno. Und ich bezahle.«
    »Nein, ich bin dran mit Bezahlen.«
    »Du kommst nicht dran. Du bist eine hungernde Assistenzärztin und hast einen Freitisch verdient.«
    Sie lachte. Das schönste Geräusch, das er an diesem Tag gehört hatte.
    Sie trafen sich am Krankenhauseingang und gingen Arm in Arm zu dem Restaurant. Angela trug einen langen, marineblauen Mantel. Ihr dunkles Haar fiel über den Kragen aus Pelzimitat. Sie sah wie ein heimatloses, erschöpftes Kind aus und starrte auf ihre Füße, als müsse sie sich irgendwo orientieren. Der Regen war ganz schwach und

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