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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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ihrer Freundin.
    «Du hast mir das Leben gerettet. Und hättest dein eigenes sogar dafür geopfert.»
    «Unsinn. Durch Gottes Gnade hast du überlebt, nicht durch mich.»
    Clara schüttelte hartnäckig den Kopf: «Heinrich wäre stolz auf dich. Und dir unendlich dankbar, genau wie ich.»
    Mechthild stellte den Becher zu Boden. «Du hättest dasselbe für mich getan.»
    Clara schwieg. Jedes Mal, wenn sie an ihren Mann dachte, versetzte ihr das einen Stich ins Herz. Warum nur hatte er das Ende der Seuche nicht mehr erleben dürfen? So plötzlich die Pestilenz gleich einem göttlichen Strafgericht über sie hereingebrochen war, so schnell schien sie nun tatsächlich ein Ende gefunden zu haben. Dann dachte sie an die Kinder. Die Ungewissheit, wie es um sie stand, hatte sie die letzten Tage kaum zurRuhe finden lassen. Benedikt hatte ihr nämlich nach einigem Zögern gestanden, dass er seit ihrer Krankheit nicht mehr bei ihnen gewesen war. Morgen endlich wollte er sie holen gehen.
    «Hoffentlich sind die Kinder gesund. Ich halte es kaum noch aus bis morgen.»
    Mechthild lächelte. «Dein Sohn ist schon unterwegs, eben vorhin ist er los. Eigentlich sollte es eine Überraschung werden.» Sie erhob sich. «Kann ich dich allein lassen, ohne dass du gleich im Haus herumgeisterst? Ich sollte mal wieder zu Hause nach dem Rechten sehen.»
    «Geh nur. Ach, Mechthild, ich bin so froh, wenn wir alle wieder beieinander sind. Was glaubst du, wann werden sie hier sein?»
    «Nachmittag wird es schon werden, bis sie alles aufgeräumt und gepackt haben. Bis dahin ruh dich aus und versuch zu schlafen.»
    Doch an Schlaf war vor Aufregung nicht zu denken. Kaum hörte sie von unten die Haustür ins Schloss fallen, versuchte sie aufzustehen. Sie wollte für die Heimkehrer etwas zu essen bereiten, den Tisch hübsch richten, vielleicht ein paar Herbstblumen aus dem Garten holen.
    Bis zum Fenster schaffte sie es noch gut, dann ergriff sie ein so starker Schwindel, dass sie sich an der Stiege zum Dachboden festhalten musste. Sie atmete langsam und tief durch, stieß dabei die Fensterladen weit auf. Die kühle Luft tat gut. Bald würde es Winter werden, bis dahin war noch viel zu tun: Vorräte mussten besorgt und haltbar gemacht werden, Brennholz geschlagen, neue Hühner angeschafft, ihr Feldstück in der Vorstadt bestellt werden.
    Sie hatte keine Vorstellung davon, wie es draußen aussah, in dieser Stadt, die da vor ihr so friedlich unter dem blassblauenHerbsthimmel lag. Aber ganz gleich, wie schlimm es die Menschen hier getroffen hatte – von nun an würde es wieder aufwärtsgehen, das spürte sie.
    In diesem Moment erschallten die Kirchenglocken, als wollten sie mit ihrem kraftvollen Läuten diesen Gedanken unterstreichen. Zugleich war ihr, als hörte sie von den Gassen Jubelgesänge und fröhliche Musik. Sie zog sich ihr frischgewaschenes Kleid über, das ihr um Schultern und Hüften viel zu weit geworden war, tapste auf etwas unsicheren Füßen hinaus auf den Treppenaufgang, dann Stufe für Stufe nach unten. Die Küche fand sie blitzblank aufgeräumt, nur ein Krug mit frischem Wasser und zwei Becher standen auf dem Tisch. Als sie die Tür zur Vorratskammer öffnete, wurde ihre Zuversicht denn doch um einiges gedämpft. Bis auf einen Topf mit in Essig und Senf eingelegten Früchten, einem Laib Brot und einem Säckchen Hafergrütze war das Regal leer. Viel war das nicht für eine Horde hungriger Mäuler.
    Nun gut – sie würde die Grütze zusammen mit den Früchten kochen und im Garten nachsehen, ob sich nicht noch etwas Frisches dazu fand. Nachdem sie eine Zeit lang auf der Küchenbank verschnauft hatte, weichte sie die Hafergrütze ein, schlüpfte in ihre Holzpantinen, legte das Gartenmesser in den kleinen Weidenkorb und trat hinaus auf den Hof. Das Glockengeläut hatte aufgehört, aber in ihren Ohren hallte es nach wie in alten Zeiten, als sie noch regelmäßig die Gottesdienste besucht hatten und das Läuten sie bis nach Hause begleitete.
    Noch etwas anderes drang jetzt an ihr Ohr, als sie sich anschickte, zu ihrem Gemüsebeet zu gehen. Ihr war, als klopfte jemand zaghaft gegen das Hoftor. Ein Kind vielleicht oder ein Bettler. Oder auch ein Dieb, der sich vergewissern wollte, ob jemand zu Hause sei.
    Sie hielt inne. «Mechthild?»
    Niemand antwortete. Sie musste sich getäuscht haben. Da klopfte es erneut.
    Schon zog sie das Messer aus dem Korb und hielt es fest in der Faust. «Wer da?», fragte sie mit Entschlossenheit in der Stimme. Ihr

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