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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Pferd ohne weitere Überlegung und mit einem resignierenden Schulterzucken nach rechts, in Richtung Oberschwaben.
    Anstatt im tristen Zwielicht nach Spuren zu suchen, die jetzt sowieso nicht mehr auszumachen waren, blickte er sich konzentriert in der Gegend um und betrachtete immer wieder nachdenklich den Himmel.
    »Verdammt! Es wird bald dunkel«, fluchte er und fragte sich, wo sich der Gesuchte die Nacht über verkriechen könnte.
    Dem Kastellan war klar, dass der Totengräber einen großen Vorsprung hatte. Er konnte nur hoffen, dass der Flüchtige nicht ahnte, verfolgt zu werden, und es dementsprechend nicht allzu eilig hatte, womöglich sogar unachtsam war.
    Mit etwas Glück wird er vielleicht sogar leichtsinnig und begeht einen verhängnisvollen Fehler. Wenigstens weiß Konstanze, dass es noch einen Tag dauern kann, bis ich zurück bin, beruhigte er sich in diesem Punkt. Dem bräuchte er eigentlich nicht nachzusinnen. Es reichte schon, immer wieder an Lodewig denken zu müssen.
    Wie es ihm wohl geht? … Lebt der Bub überhaupt noch?
    Je mehr seine Gedanken um den mittleren Sohn, der seit Diederichs Tod nun sein Jüngster geworden war, und um den Totengräber kreisten, desto wütender … und unsicherer wurde der Kastellan. Er konnte nicht einmal mit Bestimmtheit sagen, dass dieser Lump von Totengräber etwas mit Lodewigs Verschwinden zu tun hatte.
    Vielleicht verdächtige ich Ruland Berging zu Unrecht? … »Scheiße«, entfuhr es ihm so laut, dass er ein paar unweit des Weges äsende Rehe aufschreckte.
     
    Da der Kastellan aufgrund der Aussage des Bauern den Vorsprung des Totengräbers in etwa abschätzen konnte, wusste er, dass er nach Einbruch der Dunkelheit noch eine gute Stunde weiterreiten musste, wenn er sein Nachtlager irgendwo in der Nähe des Platzes, an dem der Gesuchte vermutlich nächtigen würde, aufschlagen wollte. Allerdings war er sich unsicher, ob er Moosmanns Aussage überhaupt trauen konnte. Dafür hätte er schwören können, dass der Verfolgte noch vor dem Dunkelwerden eine Übernachtungsmöglichkeit suchen würde – er selbst würde dies jedenfalls so handhaben.
    Seine zeitliche Rechenaufgabe war allerdings ein riskantes Unterfangen: Es konnte sein, dass er in der Dunkelheit versehentlich zu weit reiten und den Totengräber unwissentlich überholen würde. Dann würde sich die Frage stellen, wer hier überhaupt wen verfolgte. Aber dieses Risiko musste der besorgte Vater eingehen. Momentan ergab sich eher die Frage, ob er überhaupt auf dem richtigen Weg war und der Totengräber tatsächlich ins Oberschwäbische und nicht doch an den Bodensee oder sonst wohin ritt. »Verdammt!«
    Und was ist, wenn dieses ausgebuffte Schwein mit Verfolgung rechnet und irgendwie von seinem eigentlichen Ziel ablenkt?, zermarterte sich der Kastellan den Kopf.
    Da sich jetzt schon wieder die Wege teilten, weil sie in verschiedene Ortschaften des beginnenden Schwabenlandes führten, musste er es notgedrungen für heute gut sein lassen und sich nach einer Bleibe umsehen. Außerdem fror es ihn in der eiskalt gewordenen Rüstung dermaßen, dass er zu zittern begann. Es ärgerte ihn, dass er sich in dieser Gegend nicht so gut auskannte und aufgrund der Dunkelheit momentan überhaupt keine Ahnung hatte, wo er sich befand. So blieb ihm nichts anderes übrig, als fluchend auf das einzige Licht zuzureiten, das er in einiger Entfernung flackern sah.
     
    *
     
    Ulrich Dreyling von Wagrain kam zu der vermeintlich einzigen Herberge weit und breit. Allerdings schien es sich um eine miese Spelunke zu handeln, deren Wirt es einerlei war, wer sie betrat. Hauptsache, jeder Gast ließ hier klingende Münzen liegen, bevor er sich wieder davonmachte. Jedenfalls hockten hier die abenteuerlichsten Gestalten herum, toppelten und unterhielten sich beim Würfelspiel, während andere grölend Becher um Becher leerten und in der hintersten Ecke ein Lautenspieler vergeblich auf Zuhörer hoffte. So war es nicht verwunderlich, dass sich der feine Adlige unwohl fühlte und unbemerkt an das Heft seiner Langwaffe fasste, um sich zu vergewissern, dass sie greifbar wäre, wenn er sie benötigen würde.
     
    Zu seiner Verwunderung hatte ihm der Wirt eine recht ordentliche Kammer zugewiesen, bevor er ihm den Schankraum zeigte. Dies mochte an der teuer aussehenden Gewandung und an den wertvollen Waffen liegen, die den unverhofften Gast als kampferprobten Adligen erscheinen ließ. Aber nicht nur das zeigte den anderen, wer gerade den Raum betreten

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