Der Pfad des Kriegers (German Edition)
schon hereingebrochen, als Thomas endlich eine Stelle gefunden hatte, die ihm als Versteck geeignet schien. Sie waren vorher schon an bestimmt hundert solcher Stellen vorbeigekommen, aber nie hatte sich Thomas zufrieden gegeben. Immer hatte er irgendetwas auszusetzen gehabt.
„Vermutlich hat er das nur gemacht, um mich zu quälen. Und mir zu zeigen, wer hier das Sagen hat!“, dachte Arvid, während er seine Decke auf dem kalten Waldboden ausbreitete. Wenige Augenblicke später war er eingeschlafen.
„Arvid! Arvid! Wach auf!“
Eine Hand packte ihn an der Schulter. Mit müden Armen versuchte er sie wegzuschlagen und drehte sich dann um, um noch etwas Schlaf zu finden.
„Arvid! Wach auf, verdammt noch mal!“
Er würde reagieren müssen, der andere schien ja doch keine Ruhe zu geben.
„Hm? Was gibt es denn?“, fragte er schläfrig.
„Steh auf, das musst du dir ansehen!“
„Was denn, was ist denn so wichtig mich aufzuwecken. Ich habe doch höchsten ein, zwei Stunden geschlafen!“
Er gab sich keine Mühe seine Stimme freundlich klingen zu lassen.
„Das wirst du schon sehen! Komm jetzt!“
Mit einem kräftigen Ruck stellte Thomas ihn auf die Füße: „Und sei vorsichtig, bleib hinter mir!“
Er folgte Thomas durch den Wald. Gemeinsam mit ihm erkletterte er einen kleinen Hügel. Thomas bedeutete ihm, sich hinzulegen. Zögernd folgte er seiner Aufforderung. Vielleicht war es eine Falle und im nächsten Moment würden sich dutzende Llaevin auf ihn stürzen?
Aber nichts passierte. Der Hügel bot Aussicht auf ein weites, grünes Tal, in dem sich aber nichts rührte. Auch Thomas schien unruhig zu werden, machte aber keine Anstalten wieder zu gehen.
„Warum sind wir hier?“
„Wirst du schon noch sehen. Hab‘ einfach etwas Geduld!“
„Hm“
Arvid war alles andere als zufrieden mit der Antwort, aber was sollte er machen.
Dann sah er sie.
Erst nur ein halbes Dutzend Krieger, dann eine größere Gruppe, alle auf dem Weg nach Norden. Und sie sahen nicht aus wie Sieger. So genau konnte er sie zwar nicht sehen, aber der gehetzte Gang und die nervös gebrüllten Befehle, die zu ihnen herüberhallten, all das sprach eine deutliche Sprache. In der nächsten Stunde sahen sie vielleicht fünfhundert Krieger, viele von ihnen verwundet, alle unterwegs in Richtung Norden. Keiner beachtete sie oder schien der Umgebung auch nur auf irgendeine Weise erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Sie waren alle viel zu sehr damit beschäftigt, ihr Leben zu retten.
Irgendwann kroch Thomas langsam den Hügel wieder herunter. Arvid folgte ihm. Unten angekommen konnte er deutlich die Freude in Thomas Augen sehen. Über seine eigenen Gefühle war er sich nicht ganz klar. Irgendwo hatten sie es ja verdient, hätten sie auf ihn gehört, wäre das nicht geschehen. Aber andererseits, es war sein Volk.
„Mein Bruder!“, dieser Gedanke traf ihn wie ein Schwall kalten Wassers:
„Er war mit Sicherheit in der Schlacht dabei gewesen!“
Arvid war überrascht, wie sehr ihn der Gedanke traf, aber tatsächlich wurden seine Knie weich und er wankte eher als dass er ging. Wenn sein Bruder tot war, dann hatte er niemanden mehr und es würde auf der ganzen Welt niemanden mehr außer ihm geben, der sich daran erinnerte, wie ihre Mutter früher immer gelacht hatte oder wie ihr jüngster Bruder einmal so viel Salz in die Suppe getan hatte, dass niemand sie hatte essen können. Dann würde der letzte Mensch tot sein, der noch wusste, was Arvid meinte, wenn er von „daheim“ sprach. Der Gedanke machte Arvid tieftraurig.
Thomas schien seine Gefühle zu bemerken, zumindest sprach er nicht mit ihm, auch nicht als sie am Abend das Lager abbrachen, aber er war den ganzen Tag unerträglich fröhlich.
Die nächsten zwei Nächte verliefen nahezu gleich. Nur auf die kleinen Lager maegrinischer Krieger, die sie bisher immer wieder so mühsam hatten umgehen müssen, trafen sie in der zweiten Nacht seltener.
Es war gegen Ende der dritten Nacht, dass Arvid aus seinem Trott gerissen wurde. Denn auf einmal begann Thomas zu rennen. Arvid hatte keine Wahl, er musste ihm folgen.
„Selbst wenn er mich in eine Falle führt, ohne ihn bin ich sowieso aufgeschmissen. Das hat sich ja oft genug gezeigt. Früher oder später muss ich mich sowieso gefangen nehmen lassen. Aber zu meinem Bedingungen wäre mir doch lieber!“, dachte sich Arvid, während er Thomas hinterher rannte. Er war chancenlos. Er hatte so kaum mit ihm mithalten können und jetzt rannte der
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