Der Pfad des Kriegers (German Edition)
hätte längst hier auftauchen müssen! Vielleicht ist er im „Roten Drachen“, im Hafen!“
Sions Stimme war so kraftvoll wie immer, der Rauch, der Thomas Kehle so reizte, schien ihm nichts auszumachen.
„Ja, mein König!“
Er rannte los. Doch er hatte weniger als hundert Meter zurückgelegt, da blieb er stehen. Irgendetwas war seltsam. Welchen Grund sollte Arvid haben, sie zu verraten? Und selbst wenn, welche Auswirkungen sollte das haben? Arvid hatte augenscheinlich nicht vorgehabt, den König zu ermorden, sonst hätte er das längst versuchen können, ohne das Leben von zweihundert seiner Landsleute, darunter die wichtigsten Männer und Frauen seines Volkes, zu beenden.
Das alles machte keinen Sinn. Unschlüssig stand er da, dann drehte er um. Sollte er Sion konfrontieren? Oder mit Arvid reden? Wenn er mit Arvid reden wollte, musste er die Wache beseitigen. Soviel war klar. Und wenn er dabei gesehen wurde, war es auch um ihn geschehen. Aber Sion schien der Wortbrecher zu sein, nicht Arvid und die Maegrin. Jetzt fiel ihm auch auf, was ihn gerade gestört hatte. Es waren die Rüstungen gewesen. Selbst wenn sie Minuten vor Thomas von dem Kampf gehört hatten, sie hätten nie genug Zeit gehabt, die schweren Rüstungen anzulegen, die sie trugen. Thomas hatte mehrmals dabei zugesehen, es dauerte ewig eine Plattenrüstung anzulegen, vor allem eine so prächtige wie Sion sie trug. Sie mussten darauf vorbereitet gewesen sein.
Er würde Arvid befreien. Arvid würde wissen, was los war. Er lief wieder zum Platz zurück, alles war noch unverändert, nur das Dach brannte inzwischen fast zur Hälfte und Funken und glühendes Stroh flogen im Wind über den ganzen Platz. Arvid stand noch immer mit seinem Bewacher am Rand der Hütte. Sollte er die Wache einfach von hinten erstechen?
Das konnte er nicht. Vielleicht war er ja sogar aus seinem Stamm?
Er steckte das Schwert, das er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, weg. Eine Dachlatte war schnell gefunden und er ging langsam weiter. Wenn Sion ihn sah, wenn irgendjemand ihn sah, war er verloren. Einem Verräter zu helfen war unverzeihlich, ganz davon abgesehen, dass sie ihn vermutlich auch für einen halten würde, wenn sie ihn erwischten.
Warum riskierte er eigentlich sein Leben für Arvid? Ja, er hatte ihm geholfen, aber er hatte ihn dafür zum König gebracht, er schuldete ihm nichts mehr.
Vielleicht fand sich ja auch noch eine bessere Gelegenheit ihm zu helfen. Zudem war Sion ja ein gerechter Herrscher und vielleich würde er Arvid ja einfach begnadigen?
Er hatte sich gerade zum Gehen gewandt, da fielen ihm die Worte seines Vaters wieder ein. Thomas war erschöpft vom Spielen nach Hause gekommen und sein Vater war auf dem großen Stein vor ihrem Haus gesessen.
„Ich habe dich heute üben sehen, Thomas. Du wirst immer besser mit dem Speer, fast so gut wie ich in deinem Alter.“
Thomas hatte angesichts des unerwarteten Lobes angefangen zu strahlen. Sein Vater galt als der beste Kämpfer des Dorfes und hatte sich so den Respekt aller erworben, obwohl er als Fremder in die kleine Gemeinschaft gekommen war.
„Aber das ist nicht alles, Thomas!“, war sein Vater fortgefahren. „Krieger sein ist mehr als nur gut mit dem Speer sein oder möglichst viele Feinde zu töten. Der Pfas des Kriegers ist schwerer, als er jetzt für dich aussieht. Ein Krieger zu sein, heißt sich selbst treu zu sein und seinen Freunden. Bereit zu sein für die Gemeinschaft zu sterben und für das, wofür sie steht. Das wird nicht immer einfach für dich sein, wie es auch für mich nicht immer einfach war.“
All dies ging ihm in Sekundenschnelle durch den Kopf. An dem Sommerabend damals, vor vier Jahren hatten sie noch lange geredet. Zwei Wochen später war sein Vater tot gewesen. Er war beim Dachausbessern gestürzt, kein Ende für einen Krieger. Aber wenn er jetzt so darüber nachdachte, hatte das seinen Vater wohl nicht gestört. Was er an jenem Abend gesagt hatte, würde Thomas nie vergessen. Die Worte hatten sich in sein Gedächtnis eingebrannt.
Langsam drehte er sich um. Man ließ seine Freunde nicht im Stich. Entschlossen ging er jetzt auf den Platz zu, die Dachlatte in der rechten Hand und als er hinter der Wache stand schlug er einfach zu. Die Dachlatte krachte auf den Nacken des Kriegers, der daraufhin geräuschvoll zusammenbrach. Schnell schaute sich Thomas um. Niemand hatte ihn beachtet, alle Augen waren auf die Halle gerichtet. Arvid drehte sich zu ihm
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