Der Pfahl - Laymon, R: Pfahl - Stake
ihrem Blickfeld.
Lane stieg die Leiter hinauf.
Was soll ich machen, wenn ich oben bin?
Irgendwo hatte sie gehört, dass Schlafwandler oft tot umfielen, wenn man sie aufweckte. Wahrscheinlich nur ein dummes Gerücht. Aber wenn es doch stimmte?
Am besten behalte ich ihn einfach im Auge und versuche zu verhindern, dass er sich verletzt.
Durch die Luke sah Lane das Schrägdach der Garage, die Stützbalken warfen lange Schatten auf die Deckenplatten. Die Laterne musste ganz in der Nähe stehen, aber ihren Vater konnte sie nicht sehen.
Sie kletterte höher. Die Sprossen drückten sich in ihre nackten Fußsohlen. Sie bemerkte, dass ihre Beine zitterten.
Als sie die nächste Sprosse erklomm, tauchte sie mit dem Kopf durch die Luke. Sie blieb stehen. Ungefähr ein Meter vor ihrem Gesicht stand eine lange hölzerne Kiste.
Ein Sarg?
Unmöglich. Das ist lächerlich.
Trotzdem lief ein Schauder über ihren Rücken. Ihr Herz begann, heftig zu klopfen, und pumpte Schmerz durch ihren ganzen Körper. Es fühlte sich an, als würden ihre ohnehin schon zitternden, gequälten Muskeln zu warmem Brei zerfließen. Sie umklammerte die oberste Sprosse der Leiter, für den Fall, dass ihre Beine nachgeben würden.
Und beobachtete ihren Vater.
Er stand an einem Ende der Kiste.
Es kann kein Sarg sein!
Ihr Vater starrte in die Kiste. Die Laterne, die er mit einer Hand dicht an der Brust hielt, ließ Teile seines Gesichts im Dunkeln.
»Ich weiß«, sagte er.
Als er sprach, verschlug es Lane den Atem. Sie wusste, dass die Worte nicht an sie gerichtet waren.
»Ich habe dich auch vermisst«, sagte er. »Sehr sogar.«
Er nickte, als würde eine Stimme zu ihm sprechen. Dann setzte er sich breitbeinig auf das Ende der Kiste und stellte die Laterne auf seinem linken Knie ab.
»Für immer?«, fragte er. Nach einer Weile fügte er hinzu: »Das wäre so wundervoll, Bonnie.«
Lane zwang sich, weiter hinaufzusteigen. Ihr Vater schien sie nicht zu bemerken.
Sie kniete sich auf den Boden der Dachkammer.
Sie blickte über den Rand der Kiste.
Sie war wie betäubt.
Es war tatsächlich ein Sarg, und der Sarg war nicht leer. Das Ding darin sah aus wie eine beschissene ägyptische Mumie, die jemand ausgewickelt hatte – eine weibliche Mumie mit einem schrecklichen Grinsen, einem Holzstummel, der aus ihrer Brust ragte, und Brüsten wie längliche Lederlappen. Sie trug keinen Faden am Leib. Und Dad saß über ihren Füßen, von wo er alles sehen konnte, und er glotzte sie an und sprach mit ihr.
Das kann nicht wahr sein, dachte Lane. Ich muss schlafen und …
Er ist derjenige, der schläft.
»Ich weiß«, sagte er zu der Mumie. »Aber es tut mir leid.«
Er nickte.
Er rutschte auf den Kanten des Sargs nach vorn, bis er genau über dem Becken der Mumie saß. Wenn Lane den Arm ausgestreckt hätte, hätte sie sein linkes Bein berühren können.
»Ich liebe dich auch«, sagte er. In seiner Stimme schwang Schmerz mit. »Aber ich liebe meine Frau und meine Tochter. Ich werde sie nicht verlassen, nicht einmal für dich.«
Diese Worte schienen Lane aus ihrer Trance erwachen zu lassen.
Er spricht mit einer Leiche! Über Mom und mich!
»Wenn du ihnen irgendwie wehtust …«
Wieder nickte er. »Okay. Ich tue es.« Er beugte sich vor und streckte die rechte Hand zur Brust der Mumie aus. Seine Finger schlossen sich um den Pfahl.
»DAD!« Lane boxte gegen sein Knie. Die Laterne rutschte herunter, und das Bein schlug gegen den Sarg. Als die Laterne auf dem Boden aufschlug, erlosch sie.
Dunkelheit senkte sich über Lanes Augen. Sie kroch vorwärts.
»Was?«, erklang die Stimme ihres Vaters. Verwirrt. Dann brüllte er: »Aaaahhhh!«
Lane ertastete sein Bein. Er zuckte zurück, und sein Brüllen verwandelte sich in ein Kreischen. Sie schlang die Arme um seine Taille. »Dad«, keuchte sie, als er versuchte, sich aus ihrem Griff zu winden. »Dad, ich bin’s. Lane. Alles in Ordnung.«
Er hörte auf zu schreien, versuchte nicht länger, sich zu befreien. Er gab erstickte, winselnde Laute von sich.
»Ist schon gut«, flüsterte Lane. »Ist ja gut.«
Sie spürte eine Hand auf ihrem Rücken. Eine andere Hand fand ihren Kopf und strich mit zitternden Fingern über ihre Wange. Während er schluchzte und sie streichelte, schien er sich langsam zu beruhigen.
Er begann, vor sich hin zu murmeln. »Oh, mein Gott.« Immer und immer wieder.
»Ist schon gut«, flüsterte Lane noch einmal.
Nach einer Weile sagte er: »Ich weiß nicht, was ich hier tue.«
»Ich
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