Der Pilot
daß sie groß war, und dünn – viel zu dünn. Ihre Wangenknochen standen deutlich sichtbar hervor, und die Augen wirkten in dem schmalen, unnatürlich blassen Gesicht noch größer, als sie es eigentlich waren.
Doch zu dünn oder nicht, sie war einfach hübsch. Keine klassische Schönheit; das Kinn war ein wenig zu breit und kantig, die Nase ein bißchen zu lang für eine klassische Schönheit. Aber sie war hübsch – o ja.
921 hatte große blaugrüne Augen, lange dunkle Wimpern und makellose weiße Haut. Ein paar Strähnen ihrer kurzen Locken hatten sich unter der Pilgerkapuze hervorgestohlen, und Han konnte erkennen, daß ihr Haar rotgolden leuchtete – wie der corellianische Sonnenuntergang an einem klaren Tag.
Das Refektorium war gewöhnlich ein ziemlich stiller Ort. Die Pilger, die von der Mühsal eines langen Tages in den Fabriken erschöpft waren und der Erhöhungszeremonie entgegensahen, sprachen nicht viel. Doch gleichwohl saßen sie beim Essen in Gruppen zusammen.
921 jedoch saß ganz allein.
Han sah, daß sie lustlos in ihrem Abendessen herumstocherte, und nach einem Blick auf das unappetitliche Untereinander aus einer Art Haferbrei, verkochtem Grünzeug und Fladenbrot auf ihrem Teller konnte er sie dafür nicht schelten. Das Essen roch übel – wie verdorben. Han zog die Nase kraus, während er sich den Stuhl ihr gegenüber heranzog und Platz nahm. Er war sich vage der Anwesenheit Muuurghs bewußt, der an der Wand lehnte und ihn beobachtete.
921 – ich muß sie dazu bringen, mir ihren richtigen Namen zu verraten! – blickte auf und riß die türkisfarbenen Augen auf, als sie ihn erkannte. Han war darüber außerordentlich erfreut und grinste sie an. »Hallo. Hab’ dich gefunden, siehst du?«
Sie starrte ihr Gegenüber mit großen Augen an, dann senkte sie den Blick auf ihren Teller. Han beugte sich über den Tisch. »Was gibt’s zum Abendessen? Das sieht nicht besonders gut aus, muß ich sagen, aber du mußt schon mehr tun, als das Zeug auf dem Teller herumzuschieben, weißt du?«
Sie schüttelte widerwillig den Kopf. »Bitte. geh weg.« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Ich darf nicht mit dir sprechen. Du gehörst nicht dem Einen.«
»Klar doch«, versetzte Han. »Ich bin bloß mehr. Einer für mich selbst, wie du wohl sagen würdest.«
Ihr Mundwinkel zuckte ein klein wenig, und Han ertappte sich dabei, daß er sich wünschte, sie richtig zum Lächeln zu bringen. »Du weißt gar nicht, worüber du redest, Pilot Draygo«, entgegnete sie mit gesenkter Stimme. »Ich fürchte, das ist sonnenklar.«
»Tja, dann bekehre mich mal«, forderte Han sie auf. »Ich bin für alles aufgeschlossen. Vielleicht schaffst du’s ja, daß ich konvertiere.« Er lächelte, glücklich darüber, daß er sie gefunden hatte und sie wenigstens mit ihm sprach:
921 schüttelte abermals den Kopf. »Ich fürchte, du bist durch und durch ein Ungläubiger, Pilot«, sagte sie.
Han langte über den Tisch und nahm ihre Hand – die Hand, an der sie sich verletzt hatte. »Ich heiße >Vykk<«, belehrte er sie und mußte gegen den verrückten Drang ankämpfen, ihr seinen richtigen Namen zu verraten. Doch es gelang ihm, sich zusammenzureißen. »Wie geht’s deiner Hand? Hast du seit gestern irgendwelche Beschwerden gehabt?«
Als er sie anfaßte, erstarrte sie zunächst und schien die Hand zurückziehen zu wollen, doch als er sich nach der Schnittwunde erkundigte, entspannte sie sich. »Es heilt«, teilte sie ihm mit und bekräftigte damit, was er bereits mit eigenen Augen gesehen hatte. »Es wird nicht lange dauern.«
»Das ist ein harter Job, den ganzen Tag da unten in der Dunkelheit und Kälte zu schuften«, fuhr Han fort. »Würdest du nicht lieber eine etwas. leichtere Arbeit machen?«
»Zum Beispiel?« wollte sie wissen.
»Keine Ahnung«, antwortete er. »Was kannst du denn gut? Was hast du gelernt?«
»Na ja. früher wollte ich mal Kuratorin an einem Museum werden«, berichtete sie, und ihre Stimme klang ein wenig wehmütig. »Ich war drauf und dran, Archäologie zu studieren. Ich kenne mich ein bißchen damit aus.«
»Doch anstatt weiter zu studieren, bist du hierher gekommen«, erriet Han.
»Ja«, nickte 921. »Dieses Leben hier bedeutet eine spirituelle Erfüllung. Mein altes Leben war leer und sinnlos.«
Han zögerte einen Augenblick. »Woher willst du wissen, daß die Lehre, die hier verbreitet wird, die richtige ist? Es gibt eine Menge Religionen in der Galaxis.«
Sie dachte sorgfältig
Weitere Kostenlose Bücher