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Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders

Titel: Der Pistoleiro: Die wahre Geschichte eines Auftragsmörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klester Cavalcanti
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Schlägen mit einem Besenstiel herrührten, den er in einer Ecke der Zelle entdeckte. Er riss die Augen auf und presste die Lippen zusammen, als er die Schnitte an Lourivals Beinen entdeckte. Aus einigen sickerte noch Blut. Die Hände des Toten waren hinter seinem Rücken zusammengebunden. Júlio wollte die Leiche von ihrem Galgen nehmen. Doch dann hielt er es für besser, gar nichts zu tun. Er ging zurück nach vorne. Forel kaute an einem Brötchen mit Käse und Butter. In der linken Hand hielt er ein Wasserglas mit etwas Kaffee.
    »Was ist hier passiert?«, fragte Júlio.
    »Was denn?«
    »Der Mann in der Zelle ist tot. Habt ihr ihm das angetan? Hat euch der Delegado gesagt, dass ihr ihn töten sollt?«
    »Ich weiß von nichts, Júlio. Frag doch den Delegado. Er kommt sicher bald«, sagte Forel und biss wieder in sein Brötchen.
    Júlio belegte auch für sich ein Brötchen. Dann öffnete er die Cola mit einem kräftigen Schlag an die Tischkante. Das hatte er von Cícero gelernt. Forel aß bereits sein zweites Brötchen, als Carlos Marra und Emanuel kamen. Forel und Júlio standen auf.
    »Wie gut, dass ihr schon Frühstück besorgt habt. Emanuel und ich sterben vor Hunger. Wir waren bis jetzt mit den Soldaten zusammen«, sagte Marra, während Emanuel bereits Brötchen für sich und den Offizier schmierte.
    »Wie geht es unserem Freund in der Zelle?«, fuhr Marra, an Forel gerichtet, fort.
    »Der ist immer noch da. Unverändert.«
    Carlos Marra setzte sich auf seinen Stuhl, nahm einen Schluck Kaffee und biss in sein Brötchen. Júlio drängte es, den Offizier zu fragen, wer Lourival das angetan hatte. Aber er hatte Angst. Still stand er in einer Ecke des Raums und trank seine Cola, als Marra seine Gedanken zu lesen schien:
    »Bist du durcheinander, Júlio?«, fragte er mit seiner ruhigen Stimme.
    »Ich? Nein.«
    »Du bist so still. Du hast noch gar nichts gesagt, seit ich wieder da bin. Was ist denn los?«
    »Nichts, Delegado.«
    »Sag schon, Junge!«, befahl Marra, ein klein wenig lauter werdend.
    Also sagte Júlio, was ihn beschäftigte: »Delegado, als ich gestern gegangen bin, lebte der Gefangene noch. Heute früh war der Mann tot.«
    »Na und?«, erwiderte Marra.
    »Nichts. Ich wollte nur wissen, wie er gestorben ist.«
    »Er hat sich umgebracht, Júlio. Er hatte so große Angst, ins Gefängnis zu kommen, weil er den Kommunisten geholfen hat, dass er sich lieber umgebracht hat.«
    Júlio wusste, dass das eine Lüge war. Aber er wollte Marra nicht mit noch mehr Fragen verärgern.
    Kurz darauf erschienen Lourivals Frau und sein Sohn wieder auf der Station. Der Junge trug einen Topf, der in ein speckiges Tuch eingewickelt war. Seine Mutter war eine kräftige, etwa einen Meter fünfzig große Frau, mit rundem Gesicht, schmalen Lippen und kleinen Augen. Sie trug ein Kopftuch. Als er Mutter und Sohn hereinkommen sah, verdrückte sich Júlio nach draußen, den Blick starr zu Boden gerichtet. Von dort hörte er, dass die Frau ihren Mann sehen und nicht schon wieder um einen Tag vertröstet werden wollte. Marra antwortete ihr, dass ein Unglück geschehen sei: Lourival habe Selbstmord begangen. Die Witwe brüllte ihn an: »Ihr habt meinen Mann umgebracht. Mörder! Mörder!« Carlos Marra sagte mit unveränderter Stimme, dass er sie wegen Beamtenbeleidigung festnehmen könne und nur davon absehen würde, weil er Verständnis habe für ihre Situation. Júlio war froh draußen zu sein. Er hätte es nicht ertragen, dass die Frau auch ihn als Mörder beschimpfen würde.
    Sie beharrte weiter darauf, die Leiche ihres Mannes zu sehen. Marra sagte, das sei nicht möglich. »Erst nach der Obduktion«, erklärte er. Júlio saß auf dem staubigen Boden und wusste, warum Carlos Marra nicht wollte, dass die Familie des Toten ihn in der Zelle sah. Jeder, der diesen geschundenen Körper mit hinter dem Rücken zusammengebundenen Händen sah, wusste, dass ein Mord geschehen war. Nach etwa zehn Minuten verließen die Frau und ihr Sohn die Station. Die Witwe weinte und brüllte in den Armen ihres Sohnes, der etwas größer war als sie.
    Die Nachricht von Lourivals Tod verbreitete sich in Xambioá wie ein Lauffeuer. Man erzählte sich, dass der Bootsmann von Marra und seinen Leuten getötet worden war, doch den Offizier schien das nicht zu beeindrucken. Im Gegenteil: Noch in der Nacht schickte er Forel nach Vietnam , um allen zu erzählen, dass Lourival tatsächlich von Polizisten getötet worden war, und extrem grausam dazu. Zum Beispiel

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