Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)

Titel: Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uli T. Swidler
Vom Netzwerk:
geredet?»
    Schweigen.
    «Worüber habt ihr denn geredet?»
    Sofort setzte wieder ein infernalisches Stimmengewirr ein. Jede der Schwestern warf mit Beschreibungen der Charaktereigenschaften der anderen um sich, um daraufhin Schreie der Entrüstung und der Wut zu ernten. Um sich abzulenken, stellte Roberto sich vor die Fensterfront aus Glas, acht Meter lang und damit fast so breit wie der gesamte Raum. Der Blick über die Stadt war grandios. Der Nebel hatte sich gelichtet, oder er war noch nicht zurückgekehrt, je nach Sichtweise. Das gelblich orange Licht der Straßenlaternen beleuchtete dieses mittelalterliche Städtchen und Renaissance-Kleinod, wie es ein schöneres und vollkommeneres nicht geben konnte. Gleich unterhalb von Talias Haus, dem letzten in der Via dei Maceri hoch oben am Fort Albornoz, wimmelte es von engen, verwinkelten Straßen, unterschiedlichsten Häusern und kleinen Palazzi, und auf dem Hügel gegenüber thronten der von starken Scheinwerfern in ein warmes Licht gehüllte Palazzo Ducale und der duomo . Für einen Moment nahm Roberto die streitenden Schwestern nicht wahr, eingefangen von der Lieblichkeit dieser Stadt, die der Duca Federico da Montefeltro im 15. Jahrhundert zu seinem persönlichen Wohlgefallen angelegt hatte und die zugleich auch etwas von dem Aufbruchgeist der Renaissance erahnen ließ, als der einfache Mensch begann, zum Individuum zu werden, nachdem er zuvor ausschließlich Manövriermasse für die Herrschenden gewesen war.
    «Rrroberrrto, dein Mahl.» Fidel berührte sanft Robertos Arm, um dessen Aufmerksamkeit auf das Silbertablett zu lenken, das er auf dem Couchtisch abgestellt hatte.
    «Oh, danke, Juan!» Roberto sog das für frischgeschnittenen Rucola typische Aroma durch die Nase ein, den Duft der Seezunge konnte er allenfalls erahnen, weil sie noch von der silbernen Halbkugel verdeckt war, um nicht zu früh auszukühlen. Mit prickelnden Geschmacksnerven durchmaß Roberto den mindestens siebzig Quadratmeter großen Raum, setzte sich auf die Couch und griff nach dem schweren Silberbesteck aus dem 17. Jahrhundert.
    Plötzlich Stille.
    «Du willst doch jetzt nicht etwa essen? In einem derart heiklen Moment, in dem es um Ableben oder Tod geht?», fragte Malpomena entrüstet. Auch ihre drei Schwestern machten einen pikierten Eindruck.
    «Nun, ich … seit heute Mittag …» Schweren Herzens legte er das Besteck wieder auf das Silbertablett. Wenigstens nahm er einen großen Schluck Wein, der hervorragend war. Er wurde jedes Jahr eigens für die Del Vecchio in der Fattoria della Santa Barbara in Osima gekeltert. Pro Jahr etwa vierhundert Flaschen. «Soweit ich es beurteilen kann, will keine von euch auf das Erbe verzichten. Ist das richtig?»
    Sofort ging wieder eine schrille Stimmenkakophonie los. Roberto nahm noch einen großen Schluck, erhob sich und hob beide Hände. «Habe ich recht?»
    Nacheinander nickten Malpomena, Talia, Raffaella und Antonia, die als Erste wieder Luft holte, um etwas zu sagen.
    «Moment!», sagte Roberto. Antonias Gesicht bewölkte sich, aber sie schwieg. «Fakt ist auch, dass eure Oma sich von niemandem umstimmen lassen wird.»
    «Da sind wir nicht einer Meinung», warf Raffaella ein. «Ich glaube, sie wäre eventuell für Argumente deinerseits zugänglich.»
    Für einen Moment genoss Roberto es, eine so gewichtige Position zugestanden zu bekommen, doch dann ermahnte er sich, auf dem Teppich zu bleiben. Die Baronessa hatte ihn in ihr Herz geschlossen, weil er schon als kleiner Junge die als verschroben und merkwürdig geltende Malpomena gegen alle Anfeindungen und Angriffe anderer verteidigt hatte, und im Allgemeinen würde sie seine Meinung anhören und möglicherweise schätzen, nicht jedoch wenn es um quasi politische Fragen des Adelsgeschlechts ging. Da entschied sie alleine oder beriet sich allenfalls mit anderen Vertretern des Hochadels. In der Hinsicht war die Baronessa stockkonservativ und standesbewusst.
    «Nein, das wäre sie nicht», erwiderte Roberto sanft.
    Schweigen.
    «Ihr müsst der Tatsache ins Auge sehen. Ohne Nachwuchs wird euer Erbe verfallen.»
    « Cazzo », sagte Talia mit ungewohnt ernstem Gesicht. Sie würde das am härtesten treffen.
    «Das Geld? Ist mir völlig gleichgültig», sagte Malpomena. «Aber die alten Familienwerte, die Palazzi, die Gemälde, das Silberbesteck –»
    «Malpomena, bitte, diese Aufzählung haben wir schon Tausende Male gehört!», erregte sich Antonia, und bevor ihre Schwester sich ihrerseits

Weitere Kostenlose Bücher