Der Poliziotto tappt im Dunkeln (German Edition)
nickte er und atmete mit einem tragischen, langen Seufzer aus. Wieder tat er Roberto leid, aber manchmal musste man eben gegen seine Gefühle handeln.
Eine halbe Stunde später hatte Roberto Spartaco Mori aus der Gefängniszelle geholt, einem unwirtlichen Ort, gemauert aus rohen, unverfugten Steinen, finster und feucht, perfekt für Kellerasseln, Spinnenläufer und martialisch aussehende Hundertfüßler. Fürst Federico da Montefeltro hatte die Zelle als Beugehaftkerker erbauen lassen, und den Überlieferungen nach hat noch jeder der Insassen, eher früher als später, dem fürstlichen Druck nachgegeben. Am längsten ausgehalten hatte es ein Zimmermann 1479, der einige Fenster für den fast fertiggestellten Palazzo Ducale geliefert hatte und der um die mit dem Baumeister Luciano Laurana vereinbarte Bezahlung geprellt worden war. Erst nach siebenundzwanzig Wochen Haft gab er klein bei und verzichtete auf sein Geld. Kurz nach seiner Freilassung kam es auf der Baustelle des Palazzo zu etlichen Sabotageakten, die zu einer Wiederergreifung des armen Zimmermanns führten, der lediglich auf den Verdacht hin, der Saboteur zu sein, für drei Jahre in den Kerker unterhalb der Stadtmauer von Fermignano einfuhr und während der Haft verstarb.
Spartaco war wütend und beleidigt und bestand darauf, dass Roberto ihn nach Hause auf den Monte Cesane fuhr. Zähneknirschend holte Roberto seinen Cinquecento und lud Spartaco und Franco ein. Spartacos üble Laune hielt nicht lange an, bald redete er in einem fort und verdächtigte halb Urbino, für die nächtlichen Überfälle verantwortlich zu sein.
Roberto ließ ihn reden und überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Was immer Toto über den Kellner herausbekam, war das eine. Darauf hatte er keinen Einfluss. Was er machen konnte, war, sich Sergio Bonasera noch einmal vorzuknöpfen. Irgendetwas war faul an dem Mailänder. Er hatte den Knast in Fossombrone, in dem nur schwere Fälle ihre Strafe absaßen, unbeschadet überstanden. Er war also kein Weichei, keiner, der alles mit sich machen ließ. Und wie lange hatte er auf Roberto in der Wache gewartet? Vier Stunden. Er hatte sich von Roberto an der Nase herumführen lassen und gute Miene zum bösen Spiel gemacht, obwohl er vor Wut fast geplatzt wäre. Und warum hatte er Roberto nicht zu sich auf den Monte Cesane kommen lassen? Weil er den Poliziotto nicht auf seinem Land und in seinem rustico haben wollte? Weil er etwas zu verbergen hatte? Roberto nahm sich vor, Sergio einen unangemeldeten Besuch abzustatten, sobald er Spartaco Mori bei sich zu Hause abgeliefert hatte.
Kurz vor Spartacos Albergo kam ihnen mit hohem Tempo ein ziemlich ramponierter Land Rover Defender entgegen, dem Roberto nur mit Mühe ausweichen konnte.
« Porca madosca », fluchte er und bemühte sich, seinen Topolino unbeschadet wieder auf die Straße zurückzulenken.
«Sergio Bonasera», sagte Spartaco.
«Tatsächlich?» Roberto hatte den Fahrer nicht erkennen können, aber wenn Spartaco recht hatte, wusste er ja, wo er seinen Bußgeldbescheid hinschicken musste. Rücksichtsloses Fahren, überhöhte, den Straßenverhältnissen nicht angepasste Fahrweise, da waren locker 70 Euro fällig.
«Der fährt nach Perugia.»
«Woher willst du das wissen, Mori, eh?»
«Peter Gabriel gibt da ein Konzert. Im historischen Versammlungssaal des Palazzo dei Priori. Klassik trifft Rockmusik, irgend so ein Blödsinn.»
«Oh!», rief Franco von hinten und zog sich an den beiden Rückenlehnen der Vordersitze nach vorne. «Wahnsinn! Echt?»
«Cazzo!» , fluchte Roberto, also kein spontaner Besuch bei Sergio.
«Kannst du nicht umdrehen, Roberto? Vielleicht nimmt er mich noch mit.»
«Sonst noch was», brummte Roberto und hielt vor dem Albergo.
«Ausverkauft», sagte Spartaco. «Schon seit Wochen. Sergio hat die Karten auch nur auf dem Schwarzmarkt gekriegt.»
Franco ließ sich enttäuscht wieder in den Sitz fallen.
«Auch nicht gerade um die Ecke, Perugia», sagte Roberto.
«Deswegen übernachtet der da.»
Roberto schüttelte erstaunt den Kopf. «Und das hat der dir alles erzählt?» Er langte zur Beifahrertür hinüber und öffnete sie, damit der Errol-Flynn-Verschnitt endlich ausstieg.
«Dreimal mindestens. Wie ein kleiner Junge. Für den ist dieser Peter Gabriel so was wie für unsereinen der Papst.»
«Halleluja», sagte Roberto und fuhr los, weiter geradeaus, um bei der nächsten Gelegenheit zu wenden. Doch plötzlich meldete sich ein Kribbeln in seinem Magen. Er
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