Der Polizistenmörder
Eisenbahnfähre von Trelleborg nach Saßnitz gefahren war. Außerdem war sie an verschiedenen Stellen in Malmö, Stockholm, Göteborg und Kopenhagen gesehen worden. Besonders hartnäckigen Gerüchten zufolge hatte sie sich in den Wartehallen der Flugplätze Kastrup und Sturup aufgehalten.
Nur in Anderslöv hatte sie keiner gesehen.
Sieben Zeugen hatten sie zusammen mit Folke Bengtsson an den unwahrscheinlichsten Orten gesehen, aber nicht einer davon konnte ihre Kleidung beschreiben.
Dazu hatte die Polizei nämlich keine Angaben gemacht, und jede Zeitung mit eigener Redaktion brachte völlig irreführende und von Blatt zu Blatt unterschiedliche Einzelheiten über das, was sie angehabt hatte. Die Angaben gingen von roten langen Hosen und weißem Anorak bis zu schwarzem Kleid, schwarzen Strümpfen und schwarzen Schuhen. Infolgedessen wurde sie in der betreffenden Zeitung dann auch »die Frau in Schwarz« genannt.
Dagegen waren sich alle über Folke Bengtssons Aussehen einig. Gewiß brachten nur die rücksichtsloseren Zeitungen seinen Namen und neuere Bilder. Für die anderen war er »der Mann mit der Sportmütze« oder »der Sex-Mörder, der jetzt mit Fischen handelt«.
Um drei Uhr nachmittags saß Martin Beck oben bei Nöjd und hatte Kopfschmerzen. Er war soeben unter aufsehenerregenden Umständen in der Apotheke gewesen und hatte Aspirin gekauft, und nun sah er schon die Überschriften des nächsten Tages vor sich. Kopfschmerzen in Anderslöv, zum Beispiel. Er war auch kurz davor gewesen, in das Systembolaget zu gehen und sich eine kleine Flasche Whisky zu kaufen, hatte es dann aber bleibenlassen, weil er an die Kommentare dachte, die ein solcher Einkauf zweifellos zur Folge gehabt hätte.
Katerstimmung in Anderslöv?
Und nun klingelte das Telefon, dieses verdammte Instrument.
Es war ihm zum Beispiel nicht gelungen, Rhea zu erreichen, weder am Morgen noch am Abend zuvor.
»Nöjd - wie bitte? - Nein, ich habe ihn den ganzen Nachmittag über nicht gesehen.«
Der Polizeiinspektor von Anderslöv machte sich keine Sorgen wegen der einen oder anderen Notlüge.
Aber diesmal klappte es nicht.
»Verzeihung? Wer ist dort? Ja, Moment mal. Ich will mal sehen, ob ich ihn finde.«
Nöjd hielt mit der Hand den Hörer zu und fragte:
»Bürochef Malm von der Reichspolizeileitung. Willst du mit ihm sprechen?«
Herr Jesus, dachte Martin Beck, obwohl er durchaus nicht religiös war. Für ihn war Malm so etwas wie das rote Tuch für den Stier.
Trotzdem antwortete er: »Okay, gib mal her.« Was blieb einem armen Beamten übrig?
»Ja, hier Beck.«
»Hej, Martin, wie steht’s?« Wie steht’s?
»Bis jetzt schlecht.«
Malm wechselte sofort den Ton.
»Eins muß ich sagen, Martin, das artet ja zu einem richtigen Skandal aus. Ich habe gerade mit dem Reichspolizeichef gesprochen.« Vermutlich befanden sich die beiden im selben Raum. Der Reichspolizeichef war dafür bekannt, daß er nur widerstrebend mit Leuten sprach, die die Möglichkeit hatten, Fragen zu stellen, oder sogar widersprechen konnten.
Besonders ungern sprach er mit Martin Beck, der im Laufe der Jahre zu einem beinahe zu guten Ansehen gekommen war.
Der Reichspolizeichef litt darüber hinaus an einem schweren Verfolgungswahn. Er hatte sich lange eingebildet, daß die wachsende Unbeliebtheit und fortlaufende Verschlechterung der Polizei, ihrer Leistungen und ihrer Organisation die Folge davon sei, daß »gewisse Kreise« den Reichspolizeichef persönlich nicht mochten. Nun glaubte er erkannt zu haben, daß es solche Elemente auch innerhalb des Polizeiapparates gab.
»Hast du den Mörder gefaßt?«
»Nein.«
»Aber das gesamte Korps macht sich doch lächerlich.« Das stimmte allerdings aufs Wort »Unsere besten Kriminalfachleute bearbeiten den Fall, und nichts geschieht. Der Mörder läuft frei herum und gibt Interviews, während die Polizei ihm die Füße küßt. Die Zeitungen haben sogar Bilder von der Stelle, an der die Leiche vergraben ist.«
Alles, was Malm von dem Fall wußte, hatte er den Abendzeitungen entnommen, ebenso wie er sich seine Kenntnisse von der praktischen Polizeiarbeit im Kino angeeignet hatte.
Schnarrendes Flüstern war im Hintergrund zu hören.
»Wie bitte?« fragte Malm. »Ach ja. Du weißt, daß von unserer Seite alles Menschenmögliche unternommen worden ist. Wir glauben, daß du seit Herbert Söderström unser bester Mann in der Mordkommission bist.«
»Herbert Söderström?«
»Ja, oder wie der nun hieß.«
Malm meinte
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