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Der Polizistenmörder

Der Polizistenmörder

Titel: Der Polizistenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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konnten, als der Streifenwagen aufgetaucht war. Später, als die Panik ihn gepackt und er das Gaspedal durchgetreten hatte, dachte er natürlich nicht mehr daran, daß der Tank so gut wie leer war. Er ließ den Wagen einen kleinen Hügel hinunterrollen und stellte ihn hinter einigen verfallenen Schuppen ab. Das Diebesgut ließ er drin liegen.
    Dann war er am Wegrand weitergegangen und sehr bald in einen kleinen Ort gekommen Von weitem hatte er die Sirenen der Polizei heulen hören, und der Ton hatte ihn vor Angst beinahe verzweifeln lassen. Er versuchte es mit mehreren Autos, bevor er eines fand, das er nehmen konnte. Es stand vor einem großen Einfamilienhaus in einer offenen Garage, und die Türen waren nicht verschlossen.
    Kasper war sich des Risikos bewußt gewesen, plötzlich von dem Eigentümer überrascht zu werden. Aber es war ein Sonntag und immer noch früh am Morgen, und er brauchte nur einige Minuten, um den Motor in Gang zu setzen. Seitdem war er nach Norden gefahren. Heimwärts. Nach Stockholm.
    Kasper hatte die ganzen neunzehn Jahre seines Lebens in Stockholm verbracht. Eigentlich hatte er nie in der Stadt selbst gewohnt, er war in einem der Vororte geboren und aufgewachsen, und dort war er auch zur Schule gegangen und hatte bis vor drei Jahren bei seinen Eltern gewohnt. Seit damals hatte er vergeblich versucht, eine Arbeit zu bekommen, allerdings recht halbherzig, wie er zugeben mußte. Seine Eltern waren vor zwei Jahren aus der Stadt weggezogen und hatten sich in der Nähe von Södertälje ein Reihenhaus angeschafft. Da er nicht mit hinausziehen wollte, hatte er begonnen, in der Hauptstadt ein ziemlich unregelmäßiges Leben zu führen.
    Eine eigene Wohnung zu finden war unmöglich für ihn. Er lebte vom Arbeitslosengeld und von der Sozialhilfe und wohnte meistens bei Freunden oder Mädchen, die er zufällig getroffen hatte, geschiedenen jungen Frauen mit Wohnung und Platz im Bett.
    So nach und nach war er in Kreise gekommen, die nach der Regel lebten, daß sich Verbrechen lohnt, wenn man diese Tätigkeit in kleinerem Umfange betreibt und schlau genug ist, sich nicht erwischen zu lassen. Er nahm an Einbrüchen teil, beging kleinere Diebstähle auf eigene Rechnung, betätigte sich ein wenig als Autoknacker und als Hehler, und zwei Monate lang hatte er von einem Mädchen gelebt, das auf der Malmskillnadsgatan auf und ab ging und Kunden mit nach Hause brachte, während er in ihrer Küche saß und Wodka mit Brause trank. Er hatte zwei Grundsätze, wenn es um ein Verbrechen ging: niemals mit Rauschgift handeln und niemals Waffen tragen. Sein kindliches Aussehen war ihm oftmals nützlich gewesen, und er war nur einmal bestraft worden.
    Er machte sich wegen seines Lebenswandels keine Vorwürfe. Wie so viele andere schwedische Jugendliche konnte er einer Gesellschaft gegenüber keine Loyalität empfinden, in der sozialer Standard und materieller Wohlstand die einzigen Kriterien waren, nach denen der Wert des einzelnen bemessen wurde, und die gleichzeitig nicht in der Lage war, einem jungen Menschen eine ehrliche und einigermaßen sinnvolle Arbeit zu verschaffen. Die Schuldfrage hatte er gelöst, und er war sicher, daß viele tausend Gleichaltrige seine Ansicht teilten: er hatte sich das Land, in dem er geboren wurde, nicht aussuchen können, es war nicht seine Schuld, daß er in einem menschenfeindlichen politischen System lebte^das Solidarität erwartete und dafür Lügen und Verrat anbot, und er fühlte, daß wohl eher die führenden Politiker und nicht er selbst Grund hatten, sich zu schämen.
    In der Nähe von Katrineholm mußte er tanken. Er bezahlte mit den neuen blanken Fünf-Kronen-Stücken, und der Tankwart warf einen Blick darauf, ehe er sie in ein besonderes Fach der Kasse legte und fragte: »Sind die nicht zu schade, um sie so wegzugeben?« Kasper zuckte die Achseln und überlegte sich eine Erklärung, sagte dann aber nichts.
    Plötzlich wurde ihm bewußt, wie hungrig er war, und er betrat die Cafeteria neben der Tankstelle. Er aß das Tagesmenu, irgendein gehacktes Fleisch mit klebriger brauner Soße, einem Klacks Preiselbeerkompott und vier zerkochten Kartoffeln. Das Essen war schlecht und nicht einmal warm, aber er war ausgehungert und aß, ohne sich um den Geschmack zu kümmern.
    Als er wieder eine Weile gefahren war, hielt er bei einem Kiosk an und kaufte ein Päckchen Zigaretten, Kaugummi und eine Zeitung. Auf dem Weg zurück zum Auto sah er die Überschriften auf der ersten Seite.
    Er

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