Der Portwein-Erbe
Blick des Verwalters ließ sie verharren.
»
No visitors!
« Gonçalves’ Stimme klang jetzt aggressiver. »
Go, mister, go!
« Er tatschte Nicolas auf die Schulter, als wolle er ihn zurückdrängen, was ihn wütend auffahren ließ. Der Mann hatte ihn
nicht anzugrabschen. Gonçalves trat auffallend schnell einen Schritt zurück, behielt aber seine drohende Haltung bei. Nicolas
war über diese Art der Begrüßung fassungslos, denn das war nicht Friedrichs Stil gewesen. Es sah aus, als herrschte jetzt
ein anderes Regime.
Gonçalves wandte sich wütend nach der Sekretärin um, die bereits in der Bürotür stand, und blaffte sie an, sie zog sich scheu
zurück. Mit einer deutlichen Geste bedeutete er Nicolas, das Grundstück zu verlassen. Das einzige Wort, das er im nächsten
Satz des Verwalters verstand, war
polícia
. Das war keine schlechte Idee, er würde mit dem Anwalt und der Polizei wiederkommen. Was für ein katastrophaler Anfang, schlimmer
konnte es nicht werden. Nicolas wollte sich nur umsehen, einen Eindruck von Friedrichs Welt gewinnen und verstehen, weshalb
er ihm die Quinta vermacht hatte. Er wollte den Leuten nichts wegnehmen und sich erst recht nicht mit diesem Penner von Verwalter
herumärgern. Die Morgendämmerung hatte Nicolas sich anders vorgestellt.
Aber als er das Büro verließ, merkte er, wie sehr ihn diese Art kränkte, ja er ärgerte sich, und der Ärger wandelte sich in
Wut. Das war keine Art, mit einem Verwandten seines ehemaligen Chefs umzugehen, dazu hatte er kein Recht. |90| Nicolas lag es fern, auf seinem Recht zu bestehen, aber in diesem Fall sah er keinen anderen Weg. So wie der Verwalter waren
viele Leute: Kaum meinten sie, dass sie etwas zu sagen hatten, traten sie nach unten, und nach oben bogen sie den Rücken.
Er würde sich die Personalakte des Mannes ansehen, alle Firmen hatten Personalakten ihrer Mitarbeiter – aber da müsste er
erst einmal drankommen. Und das ging nur, wenn er sich entscheiden würde, die Quinta zu übernehmen. Dieses Gefühl von Befriedigung,
war das ein Vorgeschmack auf die Süße der Macht? War es das bisschen Befriedigung wert, den sich lächerlich gebärdenden Mann
später kuschen zu sehen? Dann würde er sich mit ihm auf eine Stufe stellen.
Nicolas blieb abrupt stehen und drehte sich blitzschnell um, der Verwalter prallte auf ihn. »Ich möchte Dona Madalena sehen,
Madalena Barbalho.« Er zeigte nach oben, wo er ihr Haus vermutete. Möglicherweise kam er auf diesem Weg weiter.
»
Lisboa, Lisboa
«, schnaufte Gonçalves. Ganze Sätze schienen ihm nicht zu liegen. Aber Nicolas gab sich nicht geschlagen, zog sein Mobiltelefon
aus der Tasche und tippte auf den Nummernblock, um Gonçalves deutlich zu machen, dass er ihre Rufnummer haben wollte. Wenn
sie vermitteln würde, könnte man diese unsägliche und für den Verwalter zunehmend peinliche Situation beenden. Wenn er daran
dachte, was auf den zukam, hatte er bereits jetzt Mitleid. Gonçalves hatte nicht die geringste Chance.
Aber er blieb hartnäckig. »
A dona Madalena – não tem telefone, she has no telefon. And you leave, go!
« Wieder unterstrich er seine Worte mit einer Handbewegung, mit der man Hühner verscheucht. Wie hatte Friedrich es mit diesem
Kerl ausgehalten? Ihm gegenüber wird er sich anders benommen haben, da war sich Nicolas sicher. Am besten würde er sich direkt
an Madalena Barbalho wenden. Sicherlich führte der Weg, den er beim Heraufkommen |91| links hatte liegen lassen, zu ihrem Haus; er würde direkt dorthin fahren.
Als er zum Wagen ging, saß der Hund wieder da: schwarz und struppig, schmal der Kopf, die Zunge hing aus dem Maul. Als er
den Verwalter hinter Nicolas auftauchen sah, war er zwischen den Weinstöcken verschwunden. Gonçalves bückte sich nach einem
Stein, so schnell, wie Nicolas ihm das niemals zugetraut hätte, dann holte er zum Wurf aus – aber Nicolas trat ihn in den
Weg und sah ihm provozierend in die Augen. Wenigstens jetzt würde er sich durchsetzen. Gonçalves ließ den Arm sinken, damit
hatte er nicht gerechnet. War das der Beginn einer großen Feindschaft? Nicolas lächelte böse. War der Kerl überfordert, gingen
seine Nerven mit ihm durch, oder war er von Natur Choleriker? In der Tür des Wohnhauses sah Nicolas eine Bewegung. Eine rundliche
Frau stand dort, sie musste alles mit angesehen haben. Ihre Augen waren vor Schreck aufgerissen, und sie hatte die rechte
Hand vor den offenen Mund
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