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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Pereira das Gespräch beendet hatte, wurde Nicolas klar, was geschehen
     war. Im Grunde genommen hatte er eingewilligt – zwar war nichts unterschrieben, und selbst wenn er es morgen täte, war nichts
     endgültig, lediglich für eine gewisse Zeit verbindlich. Hätte dieser Idiot von Verwalter sich nicht mit ihm angelegt, wäre
     es nicht zu der Eskalation gekommen, er hätte die Quinta in Ruhe besichtigt, auf Madalena Barbalho gewartet oder sie in Lissabon
     aufgesucht. Aber die Situation war ihm entglitten, er hatte nicht mit Gonçalves’ kategorischem Nein gerechnet. Jetzt sah er
     sich zum Bleiben gezwungen, und damit war der Job im Architekturbüro weg. Sie würden nicht um ihn trauern, und er würde sich
     nicht mehr langweilen. Glücklicherweise brauchte er sich keine Sorgen ums Überleben zu machen, jedenfalls vorläufig nicht.
     Von den 3 500 Euro, die Friedrich ihm zugedacht hatte, konnte er locker leben und auch die Wohnung in Berlin weiterbezahlen.
     Vielleicht war das hier einfach eine gute Zeit, um sich mit Friedrichs Leben, mit Portugal und dem Portwein vertraut zu machen.
     Happe würde ausflippen; der fände das total geil, der würde sogar für ein Wochenende herjetten – aber Sylvia? Nein, sie war
     die härteste Nuss. Er sah sie auf der Party in jener Küche, in der sie sich begegnet waren, sie im Kostüm, er im schwarzen
     Anzug mit offenem weißem Hemd ... Sie war einfach zu schnell mit zu ihm gekommen, sie war auf der Suche gewesen, und er hatte
     sich finden lassen.
    |97| Unruhig blickte Nicolas sich um. Das Haus und das Grundstück waren Privatbesitz, er hatte kein Recht, den Garten zu betreten
     oder gar den Pool zu benutzen. Was könnte diese Senhora dagegen haben? Schließlich gehörte er zur Familie. Wie ging eigentlich
     für jemanden das Leben weiter, wenn der Partner gestorben war? Kam es nicht auf das Verhältnis an, das die beiden gehabt hatten?
     Sicherlich musste das Leben von Grund auf umgebaut, ja vielleicht sogar neu entdeckt werden, wenn alles auf Gemeinsamkeit
     ausgerichtet war. Er konnte sich nicht vorstellen, an dem Ort weiterzuleben, an dem die eigene Frau gestorben war. Würde nicht
     jedes Möbelstück, jeder Stein, jeder der vielen Bäume, die man gepflanzt hatte, an sie erinnern? Friedrich hatte die Bäume
     als Schutz vor dem Westwind gedacht, und Nicolas hörte am Rauschen der Blätter, dass er zunahm.
    Während er darüber nachdachte und die brennende Sonne in sich aufsog, vom Bad noch immer erfrischt, behielt er doch den Weg
     herauf im Auge. Die Aussicht war grandios. Er sah einen größeren Ausschnitt vom Fluss, konnte weiter schauen, hatte einen
     besseren Überblick, war aber auch weiter von allem entfernt. Wenn er sich auf die Terrassenmauer stellte, hatte er die Quinta
     und das Geschehen dort unten gut im Blick.
    Er sah einen Wagen heraufkommen, zwei Männer stiegen aus und wurden von Gonçalves empfangen. Kurz darauf traten er und seine
     Begleiter aus dem Schatten des Gartens und überquerten den Platz vor den Wirtschaftsgebäuden. Gonçalves erklärte wohl etwas.
     Er streckte häufig den Arm aus, und die beiden anderen Figuren schauten in die entsprechende Richtung. Sie folgten dem Verwalter
     in die große Halle. Während Nicolas auf die Rückkehr der Besucher wartete, hörte er hinter sich den Hund hecheln, und als
     er sich umdrehte, zog sich das magere Tier sofort wieder zurück. Wer hatte es so eingeschüchtert?
    |98| Hatte Carlos nicht erwähnt, dass Friedrich mit einem Hund in Vila Nova de Gaia aufgetaucht war? Und er erinnerte sich an das
     ungläubige Kopfschütteln, mit dem Carlos auf die Nachricht von Friedrichs Tod reagiert hatte.
    Nach einer Weile wurde es kalt. Wolken zogen auf und schleppten dunkle Schatten über die Berge. Der Westen war grau, dort
     lag der Atlantik, im Osten, wo der Fluss herkam, war der Himmel noch blau und klar. Nicolas ging zum Wagen, der Hund folgte
     ihm. Als Nicolas losfuhr, rannte er eine Weile mit, dann war er weg. An der Uferstraße angekommen suchte Nicolas auf der Karte
     den Ort Tabuaço und folgte der sich am Berghang hinaufwindenden Straße auf knapp 500 Metern Höhe. In einer Kneipe am Ortsrand
     fragte er nach der Adresse von Otelo Gomes. Es genügte, den Namen Otelo und die Quinta zu erwähnen, und drei Männer traten
     mit Nicolas vor die Tür, um ihm den Weg zu erklären. Obwohl er nichts verstand, begriff er, dass er an der nächsten großen
     Kreuzung rechts abbiegen musste. Er tat es und fragte

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