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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sich und erschrak. Da erkannte er Perúss, der sich zitternd an die Hauswand
     drückte. Gott sei Dank, der Hund war wieder zurück, Nicolas war erleichtert. Schnell holte er einen Wassernapf und etwas zu
     fressen für das erschöpfte Tier, das sich dankbar darüber hermachte. Nach einer Weile besann sich Nicolas wieder auf sein
     eigentliches Vorhaben und ging die Kellertreppe hinunter, heute ohne Angst, dafür mit einem Verdacht. Er war noch immer durstig,
     er hatte Lust auf einen Weißwein, und er fand einen von der Real Companhia Velha, einer um 1889 gegründeten Kellerei. Er hieß
     Evel, war von 2005, Weißwein sollte man immer recht frisch trinken. Der Evel war eine |229| Cuvée aus sechs verschiedenen Rebsorten, von denen er drei in Friedrichs Aufstellungen nicht gefunden hatte. Moscatel, Arinto
     und Fernão Pires. Wie sollte er sich die Namen merken und wie erst den Geschmack? Egal, der Wein schmeckte ihm, er war fruchtig
     und blumig, gelbe Pflaume und Melone meinte er zu riechen, die Säure war angenehm, nicht zu stark und nicht zu schwach, demnach
     gut ausbalanciert, wie sein Degustationsbuch erklärte. Als er seine Eindrücke notiert hatte, kippte er das Glas herunter.
    Obwohl ihm der Keller unheimlich war, blieb er, um das auszuführen, was er sich auf dem Marsch vorgenommen hatte. Er faltete
     Pappkartons auf, legte sie auf den kalten Boden und sich selbst darauf. Wie perfekt ließen sich Spuren beseitigen? Er wusste,
     dass unter der Treppe kürzlich gefegt worden war, und Nicolas benötigte lange, bis er hinter dem Fuß eines Regals die Sägespäne
     entdeckte. Wieso hatte ihn Gonçalves dann vor der Gefahr des Berges gewarnt?
     
    Es bereitete Nicolas ein geradezu diabolisches Vergnügen, sich am nächsten Tag von Gonçalves nach Peso da Régua bringen zu
     lassen, damit er sich einen Leihwagen nehmen konnte, aber zu seiner Enttäuschung zeigte der Verwalter nicht die geringste
     Regung. Weder äußerte er sich zu dem Umstand, dass Nicolas knapp dem Tod entgangen war, noch dazu, dass der Geländewagen als
     Totalschaden abgeschrieben werden musste. Nichts wies darauf hin, dass er hinter der Sache steckte. Ungerührt hörte er sich
     Nicolas’ Geschichte an und meinte nur, dass es kein Problem geben würde, einen neuen Wagen zu leasen, der alte sei vollkaskoversichert,
     den Selbstbehalt von 1 000 Euro müssten sie allerdings aufbringen. Wie viele Flaschen Wein musste Nicolas verkaufen, um den
     Verlust auszugleichen? Erst als sie zur Polizei fuhren und Nicolas Gonçalves draußen warten ließ, zeigte der Verwalter sich
     beleidigt und nervös. Als |230| Nicolas sich noch einmal umdrehte, bevor er die Wache betrat, hatte Gonçalves das Mobiltelefon am Ohr. Telefonierte er mit
     seinem Auftraggeber?
    Während Nicolas auf einen Polizisten der Guarda Nacional Republicana wartete, den man wegen seiner Sprachkenntnisse aus Vila
     Real würde kommen lassen, überlegte er, wer die Schilder umgestellt hatte. Wem war an seinem Tod gelegen? Einen Satz seines
     Vaters hatte er im Gedächtnis, den er für richtig hielt: »Frag dich immer, wem es nutzt!«
    Wenn er das Erbe nicht angetreten hätte, wären die ehemaligen Arbeiter und Angestellten heute die Besitzer der Quinta. Wenn
     Friedrich und den
provador
tatsächlich eine so starke Freundschaft verbunden hätte, hätte der als Erbe an erster Stelle stehen müssen. Aber davon stand
     nichts im Testament. Otelo war kein Teilhaber gewesen, er hatte Beraterhonorare und eine Gewinnbeteiligung erhalten. Wieso
     war er unautindbar? Was war wirklich mit dem verschwundenen Arbeiter los? Womöglich hingen die beiden zusammen.
     
    »Das ist kein Fall für uns, sondern für den Abschleppdienst«, meinte der Polizist und war verärgert, weil Nicolas darauf bestand,
     ihn zum Unfallort zu begleiten, und ihn bat, Gonçalves gegenüber Stillschweigen zu bewahren. Der Verwalter protestierte, er
     habe keine Zeit, trotzdem plauderte er auf der Fahrt angeregt mit dem Beamten der GNR. und verstand es, sich in den Mittelpunkt
     zu schieben. Als sie an die fragliche Abzweigung gelangten, schimpfte er auf Nicolas, und zu ihm gewandt meinte der Polizist:
     »Senhor Gonçalves sagt, er habe Sie gewarnt . . .«
    »Das hat er, das stimmt . . .«
    ». . . aber Sie hätten den falschen Weg genommen. Sie würden ihn sowieso mit Ihrem Misstrauen verfolgen. Er habe Ihnen angeboten,
     Sie zu begleiten. Aber Sie hätten das abgelehnt. Stimmt das auch?«
    |231| Letzteres verneinte

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