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Der Portwein-Erbe

Titel: Der Portwein-Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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in seiner Hand ließ ihn fröhlicher dreinblicken,
     er sah die wenigen Linien, die einen Berg, einen Fluss und ein Haus umrissen, und er war Friedrich zum ersten Mal dankbar
     für die Hinterlassenschaft.
    Dona Firmina, die sich für derartige Gelegenheiten wie üblich eine Küchenhilfe aus Folgosa geholt hatte, brachte den zehn
     Jahre alten Tawny und die Colheita von 1994, die vor drei Jahren abgefüllt worden war. Dieser Port war nicht im Verkauf. Dazu
     gab es die traumhaften Sahnetörtchen und den Käse aus Azeitão. Nicolas schnitt ihn auf, sodass man an den Inhalt herankam,
     und er zeigte den Gästen, wie man ihn herauslöffelte, ihn auf ein Stück Brot strich und dann mit einem Schlückchen Port genoss.
     Dann ging er zu Rita.
    »Ich muss mit dir reden«, raunte er ihr zu.
    »Wir müssen weiter, unser Programm lässt das nicht . . .« Als sie seine Augen sah, erschrak sie und folgte ihm in die Bibliothek.
    Er schloss die Tür. »Bitte setz dich und hör zu.«
    So knapp wie möglich erzählte er ihr von Friedrichs Hinterlassenschaft, vom Gespräch mit dem Berliner Anwalt, der Reise nach
     Porto und dem Zusammentreffen mit Pereira. Dann kam er auf den Sturz im Weinkeller und seinen Verdacht zu sprechen.
    »Die Sägespäne können doch vom Einpassen der neuen Stufen stammen«, wandte Rita ein.
    »Nein, ich erinnere mich jetzt, wo ich an allem rieche und probiere, dass an jenem Tag der Geruch von frisch geschnittenem
     Holz im Raum lag.«
    |239| Danach berichtete er von seinem Autounfall. »Sie haben mich absichtlich in das Geröllfeld geschickt. Der Verwalter hatte gemeint,
     ich hätte nicht alle Weinberge gesehen. Er hat mich sozusagen hingeschickt und mich auch noch auf die Schilder hingewiesen.
     Und die hat jemand umgestellt.«
    »Bist du dir sicher?«, fragte Rita entsetzt.
    »Meine Sinne habe ich noch ganz gut beieinander«, sagte Nicolas heftiger als beabsichtigt und vergaß für einen Augenblick
     alles andere. Er sah nur noch Ritas Gesicht vor sich und spürte den unbändigen Wunsch, sie zu küssen. Er kniff die Augen zusammen,
     riss sich von der Vorstellung los. »Du kennst diesen Otelo. Kann man ihm trauen? Könnte es sein, dass er dahintersteckt, alles
     steuert – weil er die Quinta haben will?«
    Rita verzog den Mund und schlug die Augen nieder. »Du stellst schwierige Fragen. Ich hatte einen guten Eindruck.«
    »Das wollte ich wissen. Der Anwalt in Porto übrigens auch. Friedrich und Otelo waren so was wie Kampfgefährten, sie waren
     seit 30 Jahren befreundet. Glaubst du, dass so jemand ... Dona Madalena hat mich vor ihm gewarnt.«
    In diesem Moment dachte Nicolas an seine Freundschaft mit Happe. Sylvia hatte ihn nie leiden können und nie ein gutes Haar
     an ihm gelassen. Damit war die Entscheidung klar.
    »Ich möchte dich bitten, bei Otelos Nachbarin anzurufen und ihr – möglichst beiläufig – von meinen beiden ›Unfällen‹ zu berichten,
     so nebenbei.«
    »Heute geht das nicht, aber morgen auf jeden Fall. Was versprichst du dir davon?«
    Nicolas wusste es selbst nicht, möglicherweise ließ Otelo sich so schneller zu einer Kontaktaufnahme oder gar zur Rückkehr
     bewegen.
    »Jetzt müssen wir zurück«, meinte Rita, »ach, vorher will ich dir nur Fernando zeigen«, sie lachte, »und José – José |240| Saramago und Lygia Fagundes Telles – sie ist Brasilianerin. Und Camões solltest du lesen, sieh her . . .«
    Sie trat in die hinterste Ecke der Bibliothek und schob eines der beweglichen Regale zur Seite, dahinter kam ein weiteres
     zum Vorschein, das Nicolas noch nicht gesehen hatte.
    »Das ist seine Vergangenheit in Buchform, die Partisanenliteratur, wie er es nannte, Studentenbewegung in Deutschland, alle
     linken Klassiker, Mandel, Wilhelm Reich über Charakter und Sexualität, Max Horkheimer, Marcuse, Frankfurter Schule. Ach –
     ich könnte Tage hierbleiben, Wochen . . .«
    »Dann tu’s doch«, sagte Nicolas zu seiner eigenen Überraschung, und Rita blickte ihn erschrocken an. Sie begriff, wie es gemeint
     war.
    »Du, äh, ich ... wir, ich muss los, wir können unsere Gäste nicht warten lassen.«
    Nicolas bat sie um einen weiteren Gefallen: ob sie eine Anzeige aufgeben könne, Portugiesischlehrer/in gesucht. »Ich hatte
     Dr. Veloso darum gebeten, leider hat sich bislang niemand gemeldet.«
    Nachdem Nicolas einige Gäste in seinem Wagen zum Hotel zurückgebracht hatte, war er zu nichts mehr in der Lage. Er konnte
     sich weder auf Portugiesisch im Selbststudium

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