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Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition)

Titel: Der potemkinsche Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordula Simon
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Zeitung noch kränker als zuvor. Zeitungen sind nur gut, wenn Wurst darin eingewickelt ist. Es war Zeit, dachte der Hund, den Menschen zurückzulassen. Dieser hier war gewiss kein Zauberer, kein Magier, wie sie in Hundegeschichten vorkamen, die stets Futter herbeizaubern konnten, die so intellektuell aussahen mit ihren spitzen kleinen kulturellen Bärten, grau und flauschig, wie die französischen Ritter, die am Franczuskij Boulevard gelebt haben sollen, als die Stadt errichtet wurde. Das war nicht des Köters Kern. Leb wohl, ich werde dich verlassen, kläffte er ihm zu und rannte davon, denn er hatte Marktfrauen mit Hühnerfleisch gesehen, und er musste sich nur ducken, zu Boden drücken und wie eine Schlange auf dem Bauch näher rücken, ein bisschen klagen und sie gäben ihm. Die Geschichte schmolz und kehrte nicht mehr zurück, und der Motor brummte immer noch in seinen Ohren. Das Auto hielt und endlich ging der Motor aus. Der Hund sammelte sein Gleichgewicht, kroch ein Stück in Richtung der Türen, erhob sich, stürzte aber mehr als er sprang aus dem Auto, was war ihm schlecht! Er rollte sich endlich auf die Seite, um zu sterben.
    Als er sich erhob, immer noch leicht schwindelig und leicht übel im Magen, war da eine süße motorenlose Stille und der salzlose Geruch einer fremden Stadt.

XIX
    Сказал, что в прошлой жизни, я был фараоном,
Александром Македонским и еще Львом Толстым,
Что я могу называть тебя Эсмеральдой
И больше не чувствовать себя духовно пустым
    Аквариум
    Gleich würden sie ankommen und er würde sein Leben wiederbekommen. Danach würde er entspannt zur Arsenalnaja spazieren, in den Park gehen, wo die goldenen Kuppeln ihr Licht in den Park spucken und der Vogelkot die Pilotendenkmäler immer aussehen ließ, als hätte der Pilot geweint. Manche Freiheitsstatuen, zumindest diese eine in Kiev, tragen Schwerter. Anatol würde sich schon freiprügeln aus dem Unglück der letzten Tage. Auch wenn die fremden Socken, die er gerade trug, besser waren als seine eigenen, zerscheuerten, hatte er sich an sein eigenes Leben doch schon gewöhnt gehabt und vermisste es. Er, Anatol, würde sein Leben zurückbekommen. Ein blasser langer Schatten drängte ihm die Sonne vom Rücken. Auf dem Schild des pompösen Gebäudes war »Stol propiski« zu lesen. Sie waren angekommen. Der Hund nahm einen Posten vor der Tür ein, wie er auch vor dem Supermarkt gesessen hatte. Hoffentlich würde er warten, hoffentlich würde es nicht zu lange dauern. Anatol atmete tief ein, betrat das Gebäude und steuerte auf den Lift zu. Neben den letzten Knopf hatte ein Witzbold »Luna« geschrieben, der Knopf war allerdings in der Fassung verschwunden, funktionierte offenbar nicht, der Lift würde also nicht bis zum Mond fahren, aber die zweite Etage würde es schon tun, dachte Anatol, stopfte das übergroße Hemd weiter in die Hose.
    Er bat den Portier an der Etagentür um Auskunft, wohin er gehen sollte, wenn er für tot erklärt worden war, der Portier blickte nicht auf, wies auf ein Schild, auf dem vermerkt war, dass eine Auskunft fünfzig Kopeken kostete. Nachdem Anatol keine fünfzig Kopeken besaß, entschied er, sich am Flur in eine Schlange einzureihen, wo er auf den mitgebrachten Papieren der anderen Wartenden erkennen konnte, dass es sich um Sterbeangelegenheiten handelte. Ein Glück, dass er hier und da einen kurzen Blick erhaschen konnte. Das Licht am Korridor des sowjetischen Baus zitterte, vermutlich aus Angst vor der Bürokratie. Der Wind, der sich durch die geschlossenen Fenster geschlichen hatte, bewegte sich im Raum, als wäre es ein Mensch. Durch die Tür konnte er sehen, wie die Beamten starr hinter ihren Schaltern und Schreibtischen saßen, manchmal wechselten sie mühselig von einer Seite eines Schreibtischs zur anderen, um in Akten zu suchen, als schwämmen sie über den Styx.
    Als Anatol endlich an der Reihe war, er hatte die Uhr erst jetzt im Blick und konnte nicht sagen, wie lange er gewartet hatte, ob es wirklich eine Ewigkeit war, wie es ihm in seiner Ungeduld manchmal vorkam, oder recht schnell, wie der in der Vorfreude manchmal dachte, dass es voranginge. Nachdem der Beamte hinter seinem Schalter jedoch minutenlang keine Notiz von ihm genommen hatte, war er sich ziemlich sicher, dass es wohl lange gewesen sein musste, und dachte daran, wie Čelobaka unten vor der

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