Der Präsident
Connecticut Avenue.
Bei der Pflichtverteidigerschaft hatte Jack ein Büro mit einem anderen Anwalt geteilt. Es hatte kein Fenster gegeben, nur ein riesiges Poster, das einen Strand in Hawaii zeigte. Jack hatte es an einem entsetzlich kalten Morgen aufgehängt. Aber der Kaffee hatte dort besser geschmeckt.
Sobald man ihn zum Teilhaber machte, würde er ein neues Büro bekommen, zweimal so groß. Vielleicht noch kein Eckbüro, doch selbst das war absolut möglich. Mit Baldwin als Klient war er nun der viertgrößte Devisenbringer der Firma, und die obersten drei waren bereits über fünfzig beziehungsweise sechzig Jahre alt und verbrachten mehr Zeit auf dem Golfplatz als im Büro. Er sah auf die Uhr. Zeit, sich in die Arbeit zu stürzen.
Normalerweise war Jack einer der ersten im Büro, aber bald schon würde reges Treiben herrschen. Patton, Shaw & Lord zahlten Gehälter, die denen der besten New Yorker Unternehmen entsprachen; dafür erwarteten sie jedoch auch uneingeschränkten Einsatz. Die Firmen, die sie vertraten, waren von enormer Größe, ebenso ihre juristischen Ansprüche. Auf diesem Niveau konnte ein Fehler zur Folge haben, dass ein Rüstungsauftrag über vier Milliarden Dollar den Bach hinunterging oder eine ganze Stadt den Bankrott erklären musste.
Jeder ihm bekannte Sozius und Juniorpartner der Firma klagte über Magenbeschwerden, ein Viertel von ihnen unterzog sich der einen oder anderen Therapie. Oft betrachtete Jack die bleichen Gesichter und schlaffen Körper, wenn sie Tag um Tag durch die makellosen Gänge von PS&L schlurften, gebeugt unter der Last einer weiteren juristische Schwerstaufgabe. Das war der Preis für eine Gehaltsstufe, die sie bundesweit unter die obersten fünf Prozent aller Berufsgruppen reihte.
Ihm allein blieb das Buhlen um die Teilhaberschaft erspart. Die Klientel, die man anwarb, war der große Gleichmacher im juristischen Gewerbe. Zwar war er erst seit etwa einem Jahr bei PS&L, ein Neuling im Körperschaftsrecht, doch man zollte ihm genauso viel Respekt wie den ranghöchsten und erfahrensten Mitarbeitern der Firma.
Eigentlich müsste er sich deshalb schuldig fühlen, dieser unverdienten Gunst halber. Und das hätte er auch, wäre er nicht so restlos unglücklich über sein übriges Leben gewesen.
Jack steckte den letzten Mini-Doughnut in den Mund, beugte sich auf dem Sessel vor und schlug eine Akte auf. Vertragsangelegenheiten waren oft eintönig, und angesichts seiner juristischen Qualifikationen mochten solche Aufgaben nicht unbedingt besonders aufregend erscheinen. Pachtverträge prüfen, Einträge ins Handelsregister vorbereiten, Gesellschaften mit beschränkter Haftung errichten, Vertragsvereinbarungen abklopfen und Papiere für finanzielle Transaktionen aufsetzen – all das gehörte zur täglichen Arbeit, und die Tage wurden immer länger; aber er lernte schnell. Das musste er auch, um zu überleben; denn seine Kenntnisse aus dem Gerichtssaal waren hier praktisch nutzlos.
Aus alter Tradition übernahm die Firma keine Rechtsstreitigkeiten. Man zog es vor, sich auf die lukrativeren und weniger riskanten Körperschafts- und Steuerangelegenheiten zu beschränken. Tauchte ein Rechtsstreit auf, so wurde er an eine von mehreren ausgewählten, hochrangigen Kanzleien übergeben, die sich ausschließlich mit derlei Dingen beschäftigten. Diese wiederum verwiesen sämtliche Klienten, die keinen Prozessbeistand benötigten, an Patton, Shaw & Lord. Es war eine Übereinkunft, die sich über die Jahre hinweg hervorragend bewährt hatte.
Bis Mittag hatte Jack zwei Aktenstapel aus dem Eingangspostkorb in den Ausgangspostkorb transferiert, drei letzte Checklisten für vertragsreife Abschlüsse sowie ein paar Briefe diktiert – und vier Anrufe von Jennifer entgegengenommen, die ihn an das Dinner im Weißen Haus erinnerte, an dem sie heute Abend teilnehmen würden.
Ihr Vater sollte von irgendeiner Organisation zum Geschäftsmann des Jahres gekürt werden. Es sprach Bände über die enge Beziehung des Präsidenten zur Geschäftswelt, dass ein solches Ereignis einen Empfang im Weißen Haus wert war. Zumindest aber bot sich Jack auf diese Weise die Gelegenheit, den Mann einmal aus der Nähe zu sehen. Zwar würde er ihn wohl kaum persönlich kennenlernen, aber man konnte ja nie wissen.
»Haben Sie eine Minute Zeit?« Barry Alvis steckte den zunehmend kahler werdenden Kopf zur Tür herein. Er war Leitender Sozius, was bedeutete, dass er bei der Vergabe der Teilhaberschaft bereits
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