Der Präsident
Sie betrachtete im Spiegel auf dem Flur, wie sie am Kragen des Nachthemdes zupfte. Falten traten deutlich auf der Stirn hervor.
»Es tut mir leid«, rief er rasch. »Es tut mir leid, das habe ich nicht so gemeint. Hör zu, ich lade dich ein. Für irgendetwas muss ich mein Geld schließlich ausgeben.« Jack sprach in tiefe Stille hinein. Tatsächlich war er nicht sicher, ob sie überhaupt noch dran war.
Die letzten zwei Stunden lang hatte er die Unterhaltung geprobt. Jede mögliche Antwort, jeden Wortwechsel, jede Abweichung. Er betont unbekümmert, sie verständnisvoll. Sie hätten sich prima verstanden. Bisher jedoch war überhaupt nichts nach Plan verlaufen. Also griff er auf Plan B zurück. Er beschloss zu betteln.
»Bitte, Kate. Ich möchte wirklich mit dir reden. Bitte.«
Kate setzte sich wieder hin, verschränkte die Beine und rieb sich die langen Zehen. Sie holte tief Luft. Die Jahre hatten sie doch nicht so sehr verändert, wie sie glaubte. War das gut oder schlecht? Im Augenblick konnte sie sich darüber nicht den Kopfzerbrechen.
»Wann und wo?«
»Morton’s?«
»Zum Mittagessen?«
Er sah sie vor sich, ihr ungläubiges Gesicht bei dem Gedanken an das ultrateure Restaurant. Wie sie sich fragte, in welchen Kreisen er mittlerweile verkehrte. »Na gut, wie wär’s mit dem Bistro in Old Town, am Founders Park, so gegen zwei? Dann kommen wir nicht in den Mittagstrubel.«
»Schon besser. Aber ich kann dir nichts versprechen. Wenn ich es nicht schaffe, rufe ich dich an.«
Langsam blies er den Atem aus. »Danke, Kate.«
Er legte den Hörer rasch auf, bevor sie es sich anders überlegen konnte, und warf sich auf die Couch. Nun, da sein Plan funktioniert hatte, überlegte er, was er sich eigentlich vorstellte. Was würde er sagen? Was würde sie sagen? Streiten wollte er nicht mit ihr. In dieser Hinsicht hatte er sie nicht belogen; er wollte einfach mit ihr sprechen, sie sehen. Das war alles. Zumindest redete er sich das ein.
Jack ging ins Badezimmer, ließ das Waschbecken mit kaltem Wasser vollaufen und steckte den Kopf hinein. Dann holte er sich ein Bier und ging nach oben zum Dachpool; dort saß er in der Dunkelheit und beobachtete, wie Flugzeuge über den Potomac hinweg in Richtung National Airport flogen. Die beiden grellroten Lichter des Washington Monument blinkten tröstend zu ihm herüber. Die Straßen, acht Stockwerke unter ihm, waren ruhig, abgesehen von vereinzelten Polizei- und Rettungssirenen.
Während er die ruhige Oberfläche des Pools betrachtete, streckte er den Fuß in das mittlerweile abgekühlte Wasser und schaute zu, wie sich die Wellen verteilten. Jack trank das Bier aus, ging nach unten und schlief auf einem Stuhl im Wohnzimmer ein; der Fernseher dröhnte weiter. Das Telefon läutete, aber er hörte es nicht; es wurde auch keine Nachricht hinterlassen. Fast zweitausend Meilen entfernt legte Luther Whitney den Hörer auf und rauchte die erste Zigarette seit über dreißig Jahren.
Langsam fuhr der Laster des Federal Express die abgelegene Landstraße entlang; der Fahrer suchte auf den rostigen, schief stehenden Briefkästen nach der richtigen Adresse. Noch nie hatte er hier draußen eine Lieferung zugestellt. Der Wagen schien die schmale Straße vollständig auszufüllen.
Er bog in die Auffahrt des letzten Hauses ein und wollte gerade zurücksetzen. Zufällig sah er sich um und entdeckte die Adresse auf einem kleinen Holzschild neben der Tür. Kopfschüttelnd lächelte er. Manchmal war es wirklich nur Glück.
Das Haus war klein und in keinem besonders guten Zustand. Die verwitterten Markisen aus Aluminiumblech über den Fenstern, die etwa zwanzig Jahre vor der Geburt des Fahrers modern gewesen waren, neigten sich nach unten, als wären sie inzwischen müde und wollten sich ausruhen.
Die alte Frau, die an die Tür kam, trug ein geblümtes Kleid und hatte sich einen dicken Pullover um die Schultern gebunden. Ihre dicken, roten Knöchel ließen auf Durchblutungsstörungen und zahlreiche andere Gebrechen schließen. Sie wirkte überrascht, als habe sie das Päckchen nicht erwartet, unterschrieb aber bereitwillig dafür.
Der Fahrer warf einen Blick auf die Unterschrift auf dem Block: Edwina Broome. Dann stieg er in den Wagen und fuhr weg. Sie sah ihm nach, bevor sie die Tür schloss.
Das Sprechfunkgerät knisterte.
Fred Barnes hatte diesen Job seit mittlerweile sieben Jahren. Er fuhr durch die Wohngegenden der Reichen, sah protzige Häuser und von Gärtnern gepflegte Grundstücke;
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