Der Prediger von Fjällbacka
zur Touristeninformation am Ingrid-Bergman-Platz aufgemacht, um zu erfahren, wo das nächste Polizeirevier sei. Die Anzeige war aufgenommen worden, und nun würde sie gern erfahren, was man herausgefunden hatte.
Patrik war verblüfft. Soweit ihm bekannt war, hatten sie keine Vermißtenanzeige aufgenommen, und jetzt spürte er, wie sich in seiner Magengegend etwas zusammenzog. Die Antwort auf seine Nachfrage zu Tanjas Personenbeschreibung bestätigte seine Befürchtungen. Alles, was Liese über ihre Freundin berichtete, traf auf die Frau in der Königsschlucht zu, und als er schweren Herzens ein Foto der Toten zeigte, bestätigte Lieses Schluchzen das, was er bereits geahnt hatte. Martin konnte mit dem Telefonieren aufhören, und jemand würde zur Verantwortung gezogen werden, weil Tanjas Verschwinden nicht korrekt weitergemeldet worden war. Sie hatten viele kostbare Stunden vergeudet, und Patrik war sich ziemlich im klaren darüber, wohin er sich zu wenden hatte, um den Schuldigen zu finden.
Erica hatte ausnahmsweise tief und traumlos geschlafen. Es war neun, Patrik war bereits zur Arbeit gefahren, und aus dem Erdgeschoß war kein Ton zu hören.
Ein Weilchen später war eine Kanne Kaffee aufgesetzt, und sie begann für sich und ihre Gäste den Frühstückstisch zu decken. Nach und nach kam die Familie ihres Cousins in die Küche getrudelt, einer verschlafener als der andere. Als sie sich jedoch über das Frühstück hermachten, wurden sie rasch munter.
»War es Koster, wohin ihr als nächstes wolltet?« fragte Erica hoffnungsvoll.
Conny wechselte einen Blick mit seiner Gattin und sagte: »Na ja, Britta und ich haben gestern abend ein bißchen über die Sache geredet, und wir dachten, wo wir nun schon mal hier sind und das Wetter so gut ist, könnten wir wohl tagsüber zu einer der Inseln rausfahren. Ihr habt doch ein Boot?«
»Ja, sicher haben wir das …«, gab Erica widerstrebend zu.
»Aber ich bin ein bißchen unsicher, ob Patrik wirklich bereit ist, es zu verborgen. Wegen der Versicherung und so .«, improvisierte Erica. Der Gedanke, daß diese Leute auch nur wenige Stunden länger als angekündigt hierbleiben würden, ließ ihre Beine heftig kribbeln.
»Nein, aber wir dachten, du könntest uns vielleicht zu irgendeiner schönen Stelle rausbringen, und wenn wir wieder zurück wollen, können wir ja anrufen.«
Daß sie in diesem Moment keine Worte fand, wertete Conny als schweigende Zustimmung. Erica flehte die höheren Mächte um Geduld an und redete sich ein, daß es die Konfrontation mit der Familie nicht wert war, sich ein paar Stunden ihrer Gesellschaft zu ersparen. Am Tag würde sie außerdem nichts mit ihnen zu tun haben, und wenn Patrik vom Dienst nach Hause kam, waren sie hoffentlich schon weg. Erica hatte bereits beschlossen, etwas Besonderes zu essen zu machen, damit der Abend gemütlich wurde. Trotz allem war es schließlich Patriks Urlaub. Und wer weiß, wieviel Zeit sie füreinander hatten, wenn das Baby erst da war.
Als die ganze Familie Flood nach vielem Wenn und Aber ihre Strandsachen zusammen hatte, begab man sich hinunter zum Liegeplatz bei Badholmen. Das Boot, ein kleiner blauer Holzkahn, war flach und vom Kai aus nicht leicht zu besteigen, und so erforderte es einige Mühe, bevor es Erica bei ihrer Leibesfülle gelang, dort hinunterzukommen. Nachdem sie eine Stunde lang auf der Jagd nach einer »einsamen Klippe oder am besten einem Strand« für die Gäste herumgekreuzt war, fand sie schließlich eine kleine Bucht, die andere Touristen wie durch ein Wunder verpaßt zu haben schienen. Dort setzte sie ihre Fracht ab und nahm dann Kurs auf zu Hause. Am Kai ohne Hilfe wieder an Land zu kommen erwies sich als Unmöglichkeit, also mußte sie die Demütigung hinnehmen und ein paar vorbeipromenierende Badegäste um Beistand bitten.
Verschwitzt, müde und stinksauer fuhr sie in Richtung ihres Hauses, aber überlegte es sich anders, kurz bevor sie das Klubhaus des Segelvereins erreichte. Dort bog sie rasch nach links ab, statt geradeaus nach Sälvik weiterzufahren. Sie nahm die Rechtskurve um den Berg, fuhr am Sportplatz und dem Wohnkomplex Kullen vorbei und parkte dann vor der Bibliothek. Sie würde vollkommen verrückt werden, wenn sie den ganzen Tag untätig zu Hause saß. Patrik konnte hinterher protestieren, Hilfe bei seinen Nachforschungen würde er trotzdem erhalten, ob er es nun wollte oder nicht!
Als Ernst ins Revier kam, begab er sich mit weichen Knien zu Hedströms Zimmer.
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