Der Prediger von Fjällbacka
ausgemacht. Gestern hat sie vielleicht noch gelebt, und heute ist sie vielleicht tot. Und das nur, weil ich so verdammt träge bin und meine Arbeit nicht tue!« Er schlug sich mit Nachdruck die Faust auf den Schenkel.
Patrik saß ein Weilchen schweigend da, aber beugte sich dann über den Schreibtisch und faltete die Hände. Der Ton seiner Stimme war tröstend, nicht vorwurfsvoll, wie Gösta erwartet hatte. Verwundert schaute er auf.
»Zwar läßt deine Arbeit manchmal einiges zu wünschen übrig, Gösta, das wissen wir beide. Aber das aufzugreifen ist nicht meine Angelegenheit, sondern das hat unser Chef zu erledigen. Was Märten Frisk angeht und daß du ihn dir gestern nicht vorgenommen hast, so kannst du die Sache vergessen. Erstens hättest du ihn nie so schnell auf dem Campingplatz gefunden, das hätte mindestens ein paar Tage gedauert. Und zweitens glaube ich tatsächlich, zu meinem großen Bedauern, daß nicht er Jenny Möller entführt hat.«
Gösta sah Patrik verwundert an. »Aber ich dachte, das ist so gut wie klar?«
»Ja, das habe ich wohl auch geglaubt. Und ganz sicher bin ich mir auch nicht, aber weder Martin noch ich haben beim Verhör diesen Eindruck gewonnen.«
»O verdammt.« Gösta sann schweigend darüber nach. Die Angst hatte sich jedoch noch nicht völlig gelegt. »Gibt es etwas, was ich tun kann?«
»Wir sind uns, wie gesagt, nicht ganz sicher, aber wir haben bei Frisk eine Blutprobe entnommen, die uns endgültig sagen wird, ob er der richtige Kerl ist. Sie ist schon ans Labor abgegangen, und wir haben erklärt, daß es eilig ist, aber ich fände es gut, wenn du dort ein bißchen Druck machst. Wenn es wider Erwarten doch er sein sollte, so kann jede Stunde für das Mädchen Möller von Wichtigkeit sein.«
»Ja sicher, ich kümmere mich darum. Ich werde wie ein Pitbull hinter ihnen her sein.«
Patrik lächelte über dieses Bild. Wollte er Gösta mit einer Hunderasse vergleichen, dann würde er eher an einen müden alten Beagle denken.
Voller Eifer, es Patrik recht zu machen, sprang Gösta vom Stuhl auf und verschwand mit zuvor nie gezeigter Geschwindigkeit aus dem Zimmer. Die Erleichterung darüber, daß der Fehler, den er begangen hatte, nicht ganz so groß war, wie er geglaubt hatte, gab ihm das Gefühl zu fliegen. Er gelobte sich selbst, daß er jetzt härter arbeiten würde als je zuvor, vielleicht heute abend sogar etwas über die Zeit! Nein, ging ja nicht, er hatte ja um fünf einen Golftermin. Nun ja, er konnte an einem anderen Tag länger bleiben.
Sie haßte es, sich in den Dreck und das Gerümpel hineinbegeben zu müssen. Es war, als würde sie eine andere Welt betreten. Vorsichtig stieg sie über alte Zeitungen, Mülltüten und wer weiß was sonst.
»Solveig?« Keine Antwort. Sie drückte ihre Handtasche gegen den Leib und ging weiter in den Flur hinein. Da saß diese Frau. Sie spürte den Widerwillen im ganzen Körper. Sie haßte das Weib mehr, als sie je einen Menschen gehaßt hatte, einschließlich ihrem Vater. Gleichzeitig war sie von ihr abhängig. Der Gedanke bereitete ihr stets Übelkeit.
Solveigs Gesicht zierte ein Lächeln, als sie Laine erblickte.
»Nein, sieh an. Pünktlich wie immer. Ja, Laine, du weißt, was Ordnung ist.« Sie schlug ihr Album zu, mit dem sie sich beschäftigt hatte, und bedeutete Laine, sich zu setzen.
»Ich will es am liebsten sofort übergeben, ich habe es etwas eilig …«
»Hör mal Laine, du kennst die Spielregeln. Erst einen Kaffee in aller Ruhe und dann die Bezahlung. Es wäre doch furchtbar unmanierlich von mir, so einem feinen Gast nichts anzubieten.«
Ihre Stimme triefte vor Hohn. Laine wußte, es hatte keinen Sinn zu protestieren. Das hier war ein Tanz, den sie im Laufe der Jahre viele Male getanzt hatten. Sie wischte vorsichtig über ein Stück der Küchenbank und konnte sich eine Grimasse des Ekels nicht verkneifen, als sie Platz nahm. Immer, wenn sie hier gewesen war, hatte sie sich hinterher noch stundenlang schmutzig gefühlt.
Solveig erhob sich mühsam von ihrem Sprossenstuhl und steckte ihre Fotoalben sorgfältig weg. Sie stellte für jeden eine angeschlagene Tasse auf den Tisch, und Laine mußte den Wunsch bekämpfen, auch diese abzuwischen. Danach folgte ein Korb mit zerbrochenen trockenen Keksen, und Solveig forderte Laine auf, sich zu bedienen. Sie nahm ein kleines Stück und betete, daß der Besuch bald überstanden sein mochte.
»Haben wir es nicht nett, sag mal?«
Solveig tunkte ihren Keks genüßlich in den
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