Der Prediger von Fjällbacka
darum baten, in Haft genommen zu werden. »Präventive Polizeiarbeit« nannten sie das offenbar. Und darin hatten sie in gewisser Weise sogar recht. Der betreffende Rastplatz war zumindest so lange sicher, wie sie sich dort aufhielten.
»Was hat diese Tanja deiner Meinung nach mit ihrem Herkommen bezweckt? Sie hatte ja wohl kaum vor, Detektiv zu spielen, um herauszufinden, wohin ihre Mutter verschwunden ist?«
Patrik schüttelte den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Aber ich kann verstehen, daß sie neugierig war und wissen wollte, was passiert ist. Es mit eigenen Augen sehen wollte. Früher oder später hätte sie bestimmt auch mit der Großmutter Verbindung aufgenommen. Aber ich kann mir vorstellen, daß die Beschreibung, die sie von ihrem Vater bekommen hat, nicht gerade schmeichelhaft ausgefallen ist, also verstehe ich schon, warum sie gezögert hat. Ich wäre kein bißchen verwundert, wenn die Auskünfte, die wir von Telia erwarten, ergeben, daß die Anrufe bei Lars und Gun Struwer von einer der Telefonzellen in Fjällbacka kamen, vermutlich aus der Nähe des Campingplatzes.«
»Aber wie konnte sie in der Königsschlucht landen, zusammen mit den Skeletten von ihrer Mutter und von Mona Thernblad?«
»Ich bin genauso ratlos wie du. Was ich mir vorstellen kann, ist aber, daß sie irgendwie auf etwas oder, besser gesagt, jemanden gestoßen ist, der mit dem Verschwinden ihrer Mutter und von Mona zu tun hat.«
»Wenn dem so ist, schließt das Johannes automatisch aus. Er liegt ja sicher verwahrt in einem Grab auf dem Friedhof von Fjällbacka.«
Patrik schaute auf. »Wissen wir das? Besteht kein Zweifel, daß er wirklich tot ist?«
Martin lachte. »Machst du Scherze, oder? Er hat sich doch 1979 aufgehängt. Noch toter kann man wohl kaum sein!«
Patriks Stimme zeigte eine gewisse Erregung. »Ich weiß, daß es verrückt klingt, aber hör dir mal folgendes an: Was, wenn die Polizei damals der Wahrheit ein bißchen zu nahe gekommen ist, so daß ihm der Boden unter den Füßen zu heiß wurde. Er ist ein Hult und kann große Geldsummen auftreiben, wenn nicht persönlich, dann über seinen Vater. Ein bißchen Bestechung hier, ein bißchen Bestechung da, und schwuppdiwupp hat man einen falschen Totenschein und einen leeren Sarg.«
Martin mußte sich den Bauch halten vor Lachen. »Mensch, du bist doch nicht ganz dicht! Hier reden wir von Fjällbacka - nicht vom Chicago der zwanziger Jahre! Bist du sicher, daß du vorhin auf der Anlegebrücke nicht zu lange in der Sonne gesessen hast? Es klingt wirklich, als hättest du einen Sonnenstich. Nimm doch nur die Tatsache, daß er von seinem Sohn gefunden worden ist. Wie kriegt man einen Sechsjährigen dazu, solche Sachen zu erzählen, wenn es nicht stimmt.«
»Ich weiß nicht, aber das gedenke ich herauszufinden. Kommst du mit?«
»Wohin denn?«
Patrik verdrehte die Augen und artikulierte extra deutlich: »Natürlich zu Robert, um mit ihm zu reden.«
Martin seufzte, aber stand auf. Er brummte: »Als hätten wir nicht schon genug zu tun.« Auf dem Weg nach draußen fiel ihm etwas ein: »Und was ist mit dem Düngemittel? Ich wollte mich jetzt am Vormittag darum kümmern.«
»Bitte Annika darum«, rief ihm Patrik über die Schulter zu.
Martin machte in der Rezeption halt und gab Annika die Informationen, die sie brauchte. Bei ihr war nicht viel Betrieb, und sie war dankbar dafür, daß sie etwas Konkretes zu tun bekam.
Martin konnte nicht anders, als sich zu fragen, ob sie nicht wertvolle Zeit vergeudeten. Patriks Idee erschien allzu weit hergeholt, allzu phantastisch, als daß sie etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben konnte. Aber bei dieser Ermittlung war schließlich er der Chef .
Annika machte sich über die Aufgabe her. Die vergangenen Tage waren hektisch gewesen, sie hatte hier wie die Spinne im Netz gesessen und die Suchaktionen im Fall Jenny organisiert. Aber jetzt, nach dreitägiger ergebnisloser Suche, waren die Aktionen abgeblasen worden, und da ein Großteil der Touristen die Gegend als direkte Folge der Ereignisse verlassen hatte, blieb das Telefon des Reviers geradezu gespenstisch still. Sogar die Journalisten verloren allmählich das Interesse zugunsten neuer sensationeller Meldungen.
Sie schaute auf den Zettel, auf dem sie Martins Angaben notiert hatte, und suchte nach der Nummer im Telefonbuch. Nachdem man sie durch verschiedene Abteilungen der Firma geschleust hatte, bekam sie am Ende den Namen des Verkaufsleiters. Sie wurde in die Warteschleife
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