Der Preis der Ewigkeit
meinte.
„Bitte“, wisperte sie. „Ich würde alles tun.“
„Dann sag mir, wo Henry und Milo sind.“
Sie schluckte, die Augen rot gerändert und tränenfeucht. „Sie wird uns alle umbringen. Mich, dich, Henry, Milo, Nicholas …“
„Persephone und Emmy holen ihn in genau diesem Moment da raus“, erklärte ich. „Er schafft das schon.“
„E…Emmy? Du meinst Henrys …“
„Lange Geschichte“, fiel ich ihr ins Wort und verzog, verärgert über meine Dummheit, das Gesicht. Was, wenn sie zu Calliope lief und ihr davon erzählte? Egal. Calliope konnte nichts gegen die Mädchen ausrichten.
Ava zögerte, ihre Miene wurde entschlossener und schließlich streckte sie mir die Hand hin. „Komm. Ich bring dich hin.“
In meinem Kopf schrillten sämtliche Alarmglocken. „Warum sollte ich dir trauen?“
„Weil wir mal Freundinnen waren“, erwiderte sie leicht hitzig. „Und weil ich genauso wollen würde, dass mir jemand hilft, meinen Sohn zu beschützen, wäre ich an deiner Stelle.“
Ach ja. Schon zuvor hatte sie ihren Sohn erwähnt, und auch wenn ich ihr glaubte, schien es doch verdächtig praktisch, dass sie ihn gerade jetzt wieder zum Thema machte. „Du hast mir nie von ihm erzählt.“
„Die Ewigkeit ist ein bisschen lang, um alles in der kleinen Pause zu erzählen“, gab sie zurück. „Sein Name ist Eros – beziehungsweise mittlerweile Eric. Kommst du jetzt?“
Misstrauisch musterte ich sie. Den gesamten Palast Zimmer für Zimmer zu durchkämmen, würde zu lange dauern, und nach allem, was ich wusste, könnten Henry und Milo sich irgendwo versteckt haben, wo ich sie ohne Avas Hilfe niemals finden würde. Bevor ich also weiter darüber grübeln konnte, nickte ich.
Gemeinsam rannten wir den tiefblauen Flur mit den goldenen Verzierungen entlang, und ich versuchte, die aufgewühlten schwarzen Wolken vor den Fenstern und das markerschütternde Donnern der Brandung zu ignorieren. Der Rat kam näher. Vielleicht hatten wir doch eine Chance.
„Wo sind sie?“, rief ich über das Tosen hinweg, als Ava eine Treppe hinaufflitzte, während sie mich immer noch mit sich zog. Fast wäre mir das Messer aus der schweißnassen Hand gerutscht und schützend hielt ich es an die Brust gedrückt. Ich durfte es auf keinen Fall verlieren.
„Auf dem Dach bei Calliope und Kronos“, antwortete Ava und nahm zwei Stufen auf einmal.
Mir sank das Herz. Für diesen Bereich war Persephone zuständig, aber die war zweifellos noch immer bei Nicholas. Wenn es nicht eins der anderen Mädchen bereits dorthin geschafft hatte, nachdem sie die anderen Flügel des Palasts durchsucht hatten, wären wir auf uns allein gestellt.
Aber es war mir egal. Milo und Henry waren auf diesem Dach. Für eine Chance, sie zu retten, wäre ich auch sterblich und so nackt wie am Tag meiner Geburt da raufgegangen.
Ohne Einwände folgte ich Ava. Sie hätte mich auch direkt in den Tod führen können, doch ich wollte verzweifelt daran glauben, dass die Ava, die ich kannte und liebte, noch irgendwo da drinnen steckte. Dass sie bereit war, ihr Leben zum Wohl aller zu riskieren. Jene Ava hätte mich nicht in die Irre geführt, und ich musste einfach daran glauben, dass auch diese es nicht tun würde.
Vor uns erschien die Tür zum Dach und ich atmete tief durch. Bald würde ich es wissen, so oder so.
18. KAPITEL
BLUTVERGIESSEN
Wir barsten durch die Tür einem Himmel entgegen, der schwärzer war als die Nacht. Der Zyklon, der einst Kronos gewesen war, war fort – ausgebreitet über den Himmel und in wildem Kampf mit winzigen Lichtpunkten, die aussahen wie Sterne. Der Rat. Automatisch senkte ich den Kopf und versuchte, mein Gesicht zu verbergen. Wenn meine Mutter mich entdeckte und abgelenkt wurde …
Dieses Risiko würde ich eingehen müssen. Meine Mutter war stark. Sie würde sich nicht von Kronos unterkriegen lassen. Wenn ich auch nur die geringste Chance haben wollte, heil hier rauszukommen, durfte ich nicht an ihr zweifeln. Ich durfte nicht an mir zweifeln.
Calliope stand an der Dachkante, der Wind peitschte durch ihr Haar und sie hatte das Gesicht nach oben gewandt, dem Kampf zu. An ihrer Seite war Henry, ein kleines weiß verhülltes Bündel in den Armen, das er sorgsam vor der Gischt und den Sandkörnern schützte, die wie Messer durch die Luft schnitten. Warum, um alles in der Welt, hatte er Milo hier heraufgebracht?
Doch ich schluckte meinen Protest hinunter. Milo war unsterblich und es gab keinen sichereren Ort für ihn als an
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