Der Preis des Schweigens
nach dem anderen fallen, bis es einen wahren Münzenregen gab? Welche Erklärung hatte ich dafür, dass ich mich im Wohnwagenpark herumgetrieben und mit den Nashs gesprochen hatte? Und dafür, dass ich beides unterschlagen hatte, als ich von der Brandstiftung erfuhr?
Wenn das alles herauskam, würde man mich mindestens des standeswidrigen Verhaltens und des Missbrauchs von Polizeiressourcen verdächtigen, so viel stand fest. Und was sollte ich Dan sagen? Würde er weiterhin meine Lügen glauben? Die Taschenlampe gehörte ihm, diesen Umstand konnte ich nicht leugnen.
Alle diese Gedanken schossen mir innerhalb von Sekunden durch den Kopf, während mein Blick wie ein Scheinwerfer auf die Plastiktüte auf dem Schreibtisch gerichtet war. Genauso schnell traf ich den Entschluss, sofort zu handeln, weil sich so eine Chance vermutlich nie wieder ergeben würde.
Ich sah mich um und entdeckte schließlich, wonach ich suchte – einen Karton mit Kunststoffhandschuhen. Aber vorher huschte ich eilig zum Flur, um mich zu vergewissern, dass die Luft rein war. Das ganze Gebäude schien still und verlassen dazuliegen. Es war schon spät, und die Flurbeleuchtung war bereits ausgeschaltet.
Ich schloss die Tür hinter mir, streifte mir die Handschuhe über und zog die Plastiktüte vorsichtig an den Rand des Schreibtischs, um sie besser öffnen zu können. Mit einer Schere aus einem Stiftbehälter kratzte ich hastig, aber behutsam die Farbe von der Unterseite der Taschenlampe, bis die erste und die letzten beiden Ziffern von Dans Dienstnummer nicht mehr zu lesen waren. Auch seine Initialen entfernte ich, bevor ich auf der gegenüberliegenden Seite ebenfalls ein wenig Farbe abkratzte, damit es nicht so auffällig aussah. Anschließend rieb ich die Flächen mit Ruß und Dreck ein, um die frischen Kratzspuren zu verdecken. Das Ergebnis sah befriedigend aus. Das Ganze hatte nur eine Minute gedauert, vielleicht sogar weniger.
Ich verschloss die Tüte wieder und legte sie zurück auf den kleinen Stapel in der Mitte des Schreibtischs. Dann zog ich die Handschuhe aus und ließ sie zusammen mit der Schere in meine Tasche gleiten.
Kurz darauf fragte ich mich, was ich da verdammt noch mal getan hatte. In weniger als sechzig Sekunden hatte ich mich in ernsthafte Schwierigkeiten gebracht, denn jetzt hatte ich auch noch Beweismittel manipuliert. Aber der Gedanke daran, dass irgendjemand auf Paul Mathry stoßen und auf die Weise die Sache mit dem Video herausfinden könnte, hatte jeden Skrupel und jedes Gefühl für Rechtmäßigkeit und Zurückhaltung in mir ausgelöscht.
Es war zu spät, meine Tat ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Ich hatte intuitiv gehandelt und konnte jetzt nur noch hoffen, dass sich meine Intuition ausnahmsweise einmal als richtig erwies.
Bevor ich die Bürotür öffnete, lauschte ich auf Schritte. Genau in dem Moment, als ich auf den Flur hinaustrat, hörte ich mit einem Pling die Lifttüren aufgehen und sah, wie am anderen Ende des Gangs eine dunkle Gestalt den Aufzug betrat. Zum Glück konnte mich die betreffende Person nicht gesehen haben, weil es zu dunkel war. Sicherheitshalber rannte ich trotzdem die Treppe am entgegengesetzten Ende des Gebäudes hinauf, um mich in das relativ unverdächtige Pressebüro zu flüchten.
Am Ende der Treppe angekommen hörte ich die Lifttüren wieder aufgehen und sah zu meinem Entsetzen, wie die dicke Paula heraustrat, die ich an ihrer schmalen Silhouette und den dünnen Haaren erkannte. Was tat sie so spät noch im Gebäude? Ich glaubte nicht, dass sie mich auf die Entfernung gesehen hatte, zumal auch hier die Flurbeleuchtung ausgeschaltet war.
In einer plötzlichen Anwandlung von Logik beschloss ich, mich direkt vor ihre Nase zu begeben und so zu tun, als wäre alles in bester Ordnung. Also rannte ich zu meinem Schreibtisch, nahm das Telefon und wählte die Nummer der Lautsprecheranlage an. Nach dem Piepston fing ich an zu reden, woraufhin leicht verzögert meine verzerrte Stimme draußen auf dem Flur ertönte. Es hörte sich an wie eine Durchsage am Bahnsteig.
»Falls Detective Constable Ryan noch im Gebäude ist, möchte er doch bitte die Pressestelle anrufen, unter der Durchwahl 26444. Detective Constable Ryan bitte die Durchwahl 26444 anrufen. Danke.«
Ein paar Sekunden später streckte Paula den Kopf zur Tür herein.
»Sie sind also doch noch da?«
»Ja, es nimmt einfach kein Ende. Heute war wegen dieser Brandstiftung die Hölle los. Ich weiß gar nicht mehr, wo mir
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