Der Preis des Schweigens
Texterkennung ausgeschaltet war.) Dan trug seinen iPod überall mit sich herum, aber seine Musikauswahl war meist recht antiquiert und traf ganz und gar nicht meinen Geschmack.
Ich interessierte mich sehr für Musik, allerdings war sie für mich nie Ausdruck eines bestimmten Lebensstils gewesen. »Was hörst du so, Jen?«, war ich an der Uni regelmäßig gefragt worden, als wäre die Antwort, die man darauf gab, ein Gradmesser dafür, ob man cool war oder nicht. Antwortete man mit Coldplay, galt man als Gipfel der Coolness. Mein Musikgeschmack ließ sich am besten mit Glamorous Indie Rock and Roll beschreiben, wie es die Killers in ihrem Song nannten. Ich hatte schon immer ein gutes Gespür für kommende Trends besessen und hörte die Killers bereits ein gutes Jahr vor Ausbruch des allgemeinen Hypes. Genauso war es mit den Kings of Leon, die ich für mich entdeckte, bevor sie sämtliche Musikpreise abräumten und über Nacht plötzlich bei Jung und Alt gleichermaßen beliebt waren. Danach wurde es beinahe uncool, sie zu hören. Einmal war ich an der Poststelle unserer Polizeiwache vorbeigekommen und hatte gehört, wie Tony, der stellvertretende Bereichsleiter mit den über die Stirnglatze gekämmten Haaren und den Lederslippern, dem Fotokopierer eine ziemlich schräge Version von »This Sex is on Fire« darbrachte. Peinlicher ging es nicht.
Dan wiederum lehnte Musik, die nach 1995 herausgekommen war, grundsätzlich ab und hatte zu meinem unausgesprochenen Entsetzen eine Schwäche für Synthie-Pop aus den Achtzigern. Er stand auf Depeche Mode und Peter Gabriel und hörte sogar hin und wieder Ska. Seit Neuestem hatte er eine Vorliebe für »Classic Rock« entwickelt, die mich vor Scham im Erdboden versinken ließ, wenn wir mit offenen Fenstern durch die Stadt fuhren und an einer Ampel hielten. Dann kam ich mir regelmäßig vor wie in einer Werbung für diese Vatertags-Sampler à la Rock für echte Männer . Dabei war Dan erst zweiunddreißig.
Aber er bemühte sich wirklich sehr, die Wogen zu glätten, daher beschwerte ich mich nicht, als er auf der Fahrt ins Restaurant Peter Gabriel spielte. Seit »dem Anruf«, wie wir ihn nur noch nannten, war er besonders aufmerksam und hatte mir bereits einen Strauß gelber Rosen gekauft, mir zweimal unaufgefordert eine heiße Schokolade ans Bett gebracht und einmal sogar versucht, eine Folge Lost mit mir zu gucken, ohne ständig dazwischenzureden und zu lästern.
Ich glaube, es hatte ihm einen gehörigen Schrecken eingejagt, ein beschwipstes und trübsinniges Häufchen Elend vorzufinden, als er mich im Watch-House abgeholt hatte.
Als Friedensangebot hatte er uns für den heutigen Abend einen Tisch im Pomegranate reserviert, dem besten Restaurant von Cardiff und Umgebung. Mir war das Ambiente dort viel zu steril. Das Restaurant lag direkt am Hafen, und sein Interieur aus funkelndem Glas und Stahl trieb den Minimalismus auf die Spitze. Aber ich wollte Dan auf keinen Fall dafür kritisieren, dass er eine romantische Geste machte. Schließlich hatte ich mich oft genug darüber beschwert, dass er das so selten tat. Während wir bei Kerzenschein an unserem Tisch saßen und durch die riesigen Fenster auf die funkelnden Lichter der Stadt blickten, wandte sich unser Gespräch wie von selbst unserer geplanten Hochzeit zu.
»Ich weiß, dass die letzte Woche nicht leicht für dich war, aber ich wünsche mir trotzdem, dass du meine Frau wirst, mehr als alles andere«, sagte Dan eindringlich. »Du wirst bestimmt absolut umwerfend aussehen als Braut.«
Dass er ausgerechnet in der kalten, unpersönlichen Atmosphäre dieses Restaurants so ins Schwärmen geriet, war mir unerträglich. Der nervtötende Fahrstuhl-Jazz, der im Hintergrund lief, war deutlich zu hören, aber von den anderen Tischen drang nur leises Gemurmel zu uns. Die unbequemen, aber stylischen Möbel aus Metallröhren schienen eine einschüchternde Wirkung zu haben. Einmal klirrte es laut, weil jemand sein Buttermesser auf den kalten, gekachelten Boden fallen gelassen hatte, woraufhin bis dato untätige Lakaien in gestärkten weißen Hemden herbeieilten, die sich offenbar freuten, endlich etwas zu tun zu haben.
»Du glaubst mir doch hoffentlich, oder, Jen?«, fuhr Dan unbeirrt fort. »Ich wollte dich nicht verletzen, und ich wollte auch nie eine andere Frau als dich. Von jetzt an gibt es keine Geheimnisse mehr zwischen uns. Glaubst du mir?«
Keine Geheimnisse mehr. Ich wollte ihm glauben. Zumindest glaubte ich ihm, dass er es
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