Der Preis des Schweigens
Gebundenheit anzutreten.
An diesem Wochenende hatten Dan und ich einen Termin bei der Hochzeitsplanerin des Hotels, in dem wir die Feier ausrichten wollten, einer übertrieben fröhlichen Dame (»Ach, nennen Sie mich doch Luella!«), die ich bereits in einer Wolke aus Parfüm und duftiger Spitze auf uns zustürmen sah, mit zuckersüßem Lächeln und Dollarzeichen in den Augen. Ich würde dringend Dans Verstärkung brauchen.
Umso entsetzter war ich, als mir Dan nun beim Dessert – er hatte den Mund voll Käsekuchen mit Lebkuchenboden – eröffnete, dass er leider nicht mitkommen könne, weil er wegen eines Fußballspiels eine Extraschicht aufgebrummt bekommen habe. Wenigstens besaß er den Anstand, ein angemessen schlechtes Gewissen zu haben, und erklärte kleinlaut, dass ihm durchaus bewusst sei, wie sehr ich solche Termine hasste, aber dass ich die Sache sicher wunderbar ohne ihn meistern werde. Schließlich sei ich die Organisierte und praktisch Veranlagte von uns beiden. Außerdem könne ich ja meine Mutter als moralische Unterstützung mitnehmen.
Am liebsten hätte ich die matschigen Überreste meiner pochierten Zimtbirne nach ihm geworfen. Ich konnte mich des Verdachts nicht erwehren, dass er mir diese Hiobsbotschaft absichtlich in der vornehmen Atmosphäre des Restaurants überbracht hatte, damit ich ihm keine Szene machen konnte.
Mir lag alles Mögliche auf der Zunge. »Nach all den Lügen, die du mir aufgetischt hast, findest du nicht einmal die Zeit, mit mir zu dieser verdammten Hochzeitsplanerin zu fahren?«, wollte ich sagen. »Wirklich toll, wie du dich für unsere Beziehung engagierst, dabei müsstest du eigentlich in Sack und Asche kriechen. Sieht das für dich nach Buße aus? Mich im Stich zu lassen, wenn ich dich am meisten brauche? Ach, warum heiraten wir eigentlich überhaupt? Was soll das denn noch bringen? Eine schwachsinnige Idee. Ich bin schwachsinnig.«
Aber ich verkniff mir diese Tirade und hielt den Mund. Vielleicht hätte ich mich besser gefühlt, wenn ich meinem Ärger Luft gemacht hätte, und ehrlicher wäre es sicher auch gewesen. Aber es hätte die Fronten nur noch mehr verhärtet, daher biss ich mir auf die Zunge und nickte nur resigniert. Ich wollte nicht, dass sich der Termin bei der Hochzeitsplanerin zu einem handfesten Problem auswuchs. Davon hatten wir schon genug.
Dan streichelte mir erleichtert die Hand. »Ich mache es wieder gut, Schatz, versprochen.«
Während ich meinen Kaffee trank, sehnte ich mich danach, mit einem Jack Daniel’s in einem Pub zu sitzen. Dan sollte ruhig merken, dass mir das lieber gewesen wäre.
Als er mir in den Mantel half, verriet mir der Piepston meines Diensthandys, dass ich eine SMS bekommen hatte. Ich runzelte verdutzt die Stirn, weil ich diese Woche eigentlich keine Bereitschaft hatte. Es war Serians Aufgabe, die Anrufe nervöser Kriminalbeamter entgegenzunehmen, die mitten in der Nacht Fragen hatten oder wollten, dass man um sechs Uhr morgens eine Pressemitteilung für sie verfasste.
In der SMS stand lediglich: »Wie läuft es mit der Hochzeitsplanung? Viel zu tun?« Darunter stand ein x als Symbol für einen Kuss.
Ich kannte die Nummer nicht.
»Die Leitstelle?«, wollte Dan wissen. »Du hast doch gar keine Bereitschaft, oder? Bist du nicht erst nächste Woche dran?«
»Ja, aber das war nicht die Leitstelle, sondern irgendeine unbekannte Nummer. Vielleicht hat Becky ein neues Handy.« Meine Freundin Becky ließ sich von ihrem Handyanbieter ständig die neuesten Modelle andrehen, obwohl ich wirklich nicht wusste, wozu sie unbedingt ein Bluetooth-Handy brauchte. Becky arbeitete in der Telefonzentrale einer Zeitung und nahm dort Traueranzeigen entgegen. Momentan machte sie gerade eine schwierige Phase mit Stephen durch, ihrem derzeitigen Liebhaber, weshalb sie mir regelmäßig kurze SMS-Updates schickte. »Warum schreiben die Leute nicht einfach ihren Namen unter eine SMS, statt wie selbstverständlich davon auszugehen, dass man weiß, wer sie sind?«, beschwerte ich mich.
»Weil die meisten Leute im Gegensatz zu dir mit der Telefonbuch-Funktion ihres Handys umgehen können«, entgegnete Dan.
Ich ignorierte ihn und schrieb zurück: »Beck? Alles unter Kontrolle. Jen x«
Dann vergaß ich die SMS wieder.
Bis ein paar Tage später die erste E-Mail eintraf.
3.
Z unächst gab es keinen Grund, diese spezielle E-Mail in meinem Postfach verdächtig zu finden. Mein Posteingang wurde täglich mit Mails überschwemmt, ein steter Fluss, der
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