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Der Preis des Schweigens

Der Preis des Schweigens

Titel: Der Preis des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverley Jones
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aber können wir nicht einfach in Ruhe darüber sprechen? Ruf mich an, ja? Meine Nummer hast du ja offenbar. Also, ruf an.«
    Zwei Tage lang hörte ich nichts. Dann traf eine SMS auf meinem Privathandy ein. Sie bestand nur aus zwei Wörtern: »Bezahl einfach. x.«
    Das war alles. Keine Diskussion.
    Wie kann er es wagen?, dachte ich wutentbrannt. Wie kann er es wagen, mich so zu behandeln? Damit kommt er mir nicht davon!
    Am nächsten Tag ging ich in der Mittagspause zum Parkplatz und setzte mich ins Auto, damit mich niemand hörte. Dann rief ich bei der Redaktion von Cool Cymru an. Justin hatte mir erzählt, dass er den Artikel über das Watch-House geschrieben hatte und auch sonst viele Reisebeiträge verfasste. Die Nummer der Redaktion hatte ich online recherchiert. Ich meldete mich und sagte, dass ich mit Justin Reynolds sprechen wolle, ob man mir sagen könne, wie ich ihn am besten erreichte. Die Hotelbeschreibung, die er angeblich geschrieben hatte, lag vor mir auf dem Schoß.
    Die Frau am Telefon antwortete, dass es keinen Mitarbeiter mit diesem Namen gebe und dass die Hotelkritiken von festangestellten Journalisten geschrieben würden. Den Artikel über das Watch-House habe ein gewisser Mr Donald Towers verfasst. Ich fragte die Dame, ob Mr Towers um die dreißig sei und dunkelblonde Haare habe. Enttäuscht ließ ich die Schultern hängen, als sie ihn als fünfundsechzigjährigen Herrn mit Glatze beschrieb. Aber ich riss mich zusammen und versuchte es als Nächstes bei der Reisebeilage der Times , einem weiteren Hotelführer und sogar bei der Elle , immer mit der gleichen Frage: ob ich mit Justin Reynolds sprechen könne. Die Antwort war überall dieselbe: »Sie müssen sich irren, tut mir leid.« Allmählich verlor ich jede Hoffnung.
    Aber ich musste Justin einfach finden. Wenn ich persönlich mit ihm sprach, würde sich irgendwie eine Lösung ergeben, da war ich mir sicher. Er konnte doch nicht wirklich vorhaben, mich mit diesem Video zu erpressen! So etwas passierte in Filmen, aber doch nicht netten, anständigen Mädchen wie mir. Das hatte ich nicht verdient. Mein anfänglicher Schock war Selbstmitleid und schließlich Entrüstung gewichen. Ich war fest entschlossen, Justin aus seinem Versteck zu locken. Befeuert von meiner Empörung nahm ich die Verfolgung auf. Ich würde ihn aufspüren, wie auch immer.
    Am nächsten Tag googelte ich den Namen »Justin Reynolds« und gab ihn anschließend bei Facebook und Twitter ein. Dass ich nicht früher auf diese Idee gekommen war! Ich selbst war nicht bei Facebook, weil ich den Reiz sozialer Netzwerke beim besten Willen nicht nachvollziehen konnte, aber ich kannte viele Leute, die wie besessen jede Einzelheit ihres täglichen Lebens posteten. Serian, die eine begeisterte Facebook-Nutzerin war und bereits über hundert »Freunde« hatte, hatte mir vor einiger Zeit dabei geholfen, einen Account einzurichten, damit ich die beruflichen Vorteile des Netzwerks nutzen konnte. Die Journalisten hatten Facebook vor Kurzem als unendliche Möglichkeiten bietende, bisher unerschlossene Informationsquelle erkannt, die sie nach persönlichen Hintergründen und pikanten Storys durchsuchten. Ohne den Umweg über die Polizeipressestelle kamen sie an O-Töne und Gerüchte, die sie für ihre Artikel verwenden konnten. Außerdem nutzten sie Facebook, um Fotos herunterzuladen oder an sentimentale Auslassungen über Verstorbene zu kommen, ohne den offiziellen Weg zu gehen und die Verwandtschaft um eine Stellungnahme zu bitten. (»Ich vermisse dich so! Jetzt bist du für immer im Himmel bei den Engeln!« und ähnliche Rührseligkeiten.) Aber als ich nun bei Facebook eine Suchanfrage nach »Justin Reynolds« startete, erhielt ich kein Ergebnis.
    Also schlug ich einen anderen Weg ein. Im Internet fand ich eine große Agentur, die Ferienhäuser in Gower vermietete, und nachdem ich ein paar Dutzend Vorschaubilder durchgeklickt hatte, entdeckte ich tatsächlich das Strandhaus. Das Haus, in dem ich mit Justin die Nacht verbracht hatte, hieß Hope Cottage. Ich rief die Agentur an und fragte, ob der Kunde, der das Ferienhaus in der fraglichen Oktoberwoche gemietet hatte, seine Kontaktdaten hinterlassen habe. Ich hätte die Nummer, die mir Mr Reynolds gegeben hatte, nämlich leider verloren. Eine eifrige Dame erklärte mir, sie dürfe keine Kundendaten herausgeben, aber es müsse ohnehin ein Irrtum vorliegen, das fragliche Ferienhaus sei nämlich seit August nicht mehr vermietet worden, und damals

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