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Der Preis des Schweigens

Der Preis des Schweigens

Titel: Der Preis des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beverley Jones
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ohne Ende.«
    »Woher wusste er dann deinen Namen? Er hat dich Carl genannt im Pub, da bin ich mir ganz sicher.«
    Wieder starrte Carl wie in Trance zum Horizont, bevor er sich langsam umdrehte und mir den Rücken zuwandte. Auf seinem Neoprenanzug stand in großen roten Buchstaben der Name »Carl«.
    Ich starrte stumpfsinnig auf seinen Rücken. »Er, äh … Hat er noch irgendwas gesagt?«
    »Nur, dass er mein Board cool findet. Geiles Design, oder?«
    »Ja, sehr … sehr farbenfroh.«
    »So ein Typ in Nottage hat sich auf Surfbrettbemalung spezialisiert. Du weißt schon, ein Stück die Küste runter. Da gibt’s um diese Jahreszeit ganz gute Wellen, wenn man mit der Kälte klarkommt.«
    »Ja, das glaube ich. Also dann, danke für die Infos.« Ich kam mir immer alberner vor und wandte mich zum Gehen.
    »Schuldet der Kerl dir Geld, oder so was?«, fragte Carl.
    Mir kam plötzlich ein Gedanke. »Nein, aber … Welchen Platz hast du ihm denn empfohlen für seinen Bus?«
    »Ich hab ihm gesagt, dass er ihn hinter dem Bootsschuppen der Hafenmeisterei parken soll, da hab ich noch nie einen Strafzettel gekriegt. Die Parkwächter machen sich bei dem Wetter bestimmt nicht die Mühe, so weit zu laufen.«
    Ich war am Vortag an der Hafenmeisterei vorbeigekommen und hatte dort tatsächlich zwei oder drei alte Campingbusse stehen sehen. »Super, vielen Dank.«
    Carl sah mir meinen Hoffnungsschimmer offenbar an, denn er beeilte sich zu sagen: »Die Mühe kannst du dir sparen, Süße. Ich war heute Morgen selbst da, weil ich Dominic den Bus zeigen wollte.« Er wies mit dem Kinn auf eine schwarze Gestalt, die ein ganzes Stück strandabwärts surfte. »Er hat sich nämlich einen total coolen Hai auf seinen Bus malen lassen, wahrscheinlich vom selben Typ, der auch mein Surfbrett verschönert hat. Der lässige Style ist eigentlich unverkennbar. Aber der Hai auf dem Campingbus hatte zusätzlich noch einen Seehund zwischen den Zähnen. So einen könnte ich mir auch für meinen Strandbuggy vorstellen, daher wollte ich mit Dominic noch mal einen Blick drauf werfen, aber der Bus war schon weg. Sicher, dass dir der Kerl kein Geld schuldet?«
    »Ja, alles super, wirklich. Vielen Dank.«
    »He, kein Problem. Komm vorbei, wenn du mal auf meinem Monster reiten willst.« Er lachte über mein verdutztes Gesicht und zeigte auf sein Board. »Alle lieben das Monster. Ein echtes Unikat.«
    Ich stapfte durch den groben Sand denselben Weg zurück, den ich gekommen war. Justin war also wirklich kein Einheimischer. Trotzdem konnte sich immer noch alles aufklären – vielleicht war er übers Wochenende bei seinen Eltern oder anderen Familienmitgliedern zu Besuch gewesen und wohnte eigentlich woanders.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als zum Hotel zurückzukehren. Das Hotel! Mein verletzter Stolz klammerte sich sofort an diesen Rettungsanker. Vielleicht war er nach dem Surfen zum Hotel gefahren, um dort nach mir zu suchen. Natürlich, so musste es sein! Er ging bestimmt nicht davon aus, dass ich immer noch im Strandhaus war oder am Strand herumstapfte. Vielleicht hatte er sich sogar selbst im Watch-House eingemietet, schließlich hatte er gesagt, dass er eine Kritik über das Hotel schrieb.
    Erwartungsvoll eilte ich die Landstraße entlang und stürmte in die Hotellobby, aber er war nicht da, weder an der Rezeption noch im Schmugglernest. Völlig ratlos fragte ich Vivienne, die heute sonntäglich schick gekleidet war und einen kamelhaarfarbenen Kaschmirpullover trug, ob ein gewisser Justin Reynolds im Hotel abgestiegen sei. Aber natürlich wohnte niemand mit diesem Namen im Watch-House. »Nein, es liegen auch keine Anrufe oder Nachrichten für Sie vor«, sagte Vivienne und beäugte mich wie bei meiner Ankunft mit professioneller Anteilnahme. »Kann ich sonst irgendetwas für Sie tun?«
    Ich kontrollierte mein Handy. Dan hatte zwei weitere besorgte Nachrichten hinterlassen. Ich ging nach oben in meine Suite, legte mich aufs Bett und kämpfte gegen die Tränen an.
    Irgendwann zog die Abenddämmerung herauf. Ich setzte mich auf die breite Fensterbank und starrte auf das wogende graue Meer, dessen trübe Farbe perfekt zu meiner Stimmung passte. Ich musste mir endlich die schmerzliche Wahrheit eingestehen: Ich war ein ganz gewöhnlicher One-Night-Stand für Justin gewesen, mehr nicht.
    Es war mein erster One-Night-Stand. Dan war mein erster Freund, und ich war ihm nie untreu gewesen.
    Ich fühlte mich gedemütigt, aber am schlimmsten war die enttäuschte

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