Der Preis des Schweigens
war, konnte ich sofort mit meiner Suchanfrage beginnen. Ich selbst besaß keine Zugangsdaten für die Datenbank. Die zivile Belegschaft hatte nur dann Zugriff, wenn sie ihn für ihre tägliche Arbeit benötigte. Die Recherche unter Bodies Namen bot außerdem den Vorteil, dass ich die Datenbank durchsuchen konnte, ohne meine eigene ID zu involvieren, denn Jennifer Johnson, Dienstnummer 2234, war vorschriftsgemäß auf ihrem eigenen Computer in der Pressestelle eingeloggt, wo sie hingehörte.
Wenn man als ziviler Mitarbeiter ein Passwort für die Datenbank beantragen wollte, brauchte man einen guten Grund dafür, und eine willkürliche Suche nach einem Justin Reynolds erfüllte sicher nicht die Kriterien. Sonst hätte jeder Mitarbeiter aus Neugier seinen Nachbarn in der Datenbank suchen können, nur weil er nachts die Musik voll aufdrehte oder sich lautstark mit seiner Frau stritt.
Die Straftäterdatenbank unterlag natürlich dem Datenschutz, und die Bestimmungen wurden bei uns übertrieben streng eingehalten. Es fanden regelmäßig Stichproben statt, und es waren schon häufiger Mitarbeiter wegen Missbrauchs verwarnt oder sogar entlassen worden. Ich wusste beispielsweise von einem Polizisten, der die Straße, in der er ein Haus kaufen wollte, nach dort residierenden Straftätern abgesucht hatte. Ein anderer hatte den Freund seiner siebzehnjährigen Tochter überprüft, um sicherzugehen, dass sich hinter dem harmlos wirkenden Rettungsassistenten kein Psychopath verbarg, der seiner Tochter an den Kragen wollte. Beiden hatte man nahegelegt, sich eine »neue Wirkungsstätte« zu suchen. Andere Kollegen waren sogar vor Gericht gelandet, und einer hatte eine Haftstrafe auf Bewährung aufgebrummt bekommen.
Aber ich wusste, dass mir keine andere Wahl blieb. Ich musste Justin Reynolds einfach finden. Vielleicht warteten seine Adresse und seine Kontaktdaten in Bodies Computer auf mich, und ich musste nur ein paar Tasten drücken, um sie abzurufen. Eine kurze Suchanfrage unter Bodies ID (Marc Ryan, Dienstnummer 89963) würde genügen, und wenn ich schnell genug war und einen kühlen Kopf bewahrte, würde nie jemand davon erfahren.
Ich tippte den Namen in die Suchmaske. In etwa einer Minute würde ich erfahren, ob Justin Reynolds jemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Entschlossen klickte ich auf Suche starten und lauschte dabei auf sich nähernde Schritte auf dem Flur. Das kleine Sanduhr-Symbol begann sich zu drehen, und mein Puls wurde schneller. Ich bemühte mich, langsam zu atmen und die Ruhe zu bewahren.
Aus heutiger Sicht erscheint es mir unglaublich, dass mich dieser kleine Regelverstoß so nervös machte, aber damals war es das Illegalste, was ich je getan hatte. Ich verließ noch nicht einmal ein Restaurant, ohne den Kellner darauf hinzuweisen, dass er die zweite Flasche Wein oder das Dessert auf meiner Rechnung vergessen hatte. Ich war noch nie geblitzt worden und hatte keinen einzigen Punkt im Verkehrssünderregister. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob meine weiße Weste auf prinzipieller Ehrlichkeit beruhte oder mehr mit meiner Angst vor Konflikten und der Peinlichkeit, erwischt zu werden, zu tun hatte. Aber in diesem Fall nahm ich das Risiko auf mich, weil ich keine andere Möglichkeit sah.
Der Computer kam mir heute besonders langsam vor, und je länger die Suche dauerte, desto schreckhafter wurde ich. Ich war davon überzeugt, dass mein klopfendes Herz bis auf den Flur zu hören war und jeden Mitarbeiter, der dort vorbeikam, zum Schauplatz meines Regelverstoßes lockte. Aber es waren immer noch keine Schritte zu hören.
Nach etwa zwei Minuten gab der Computer ein leises Pling von sich, woraufhin in der Suchmaske die Worte »Anfrage negativ« erschienen. Negativ? Kein Suchergebnis? Verdammt! Justin war also nicht vorbestraft. Als Nächstes war NOMAD an der Reihe, das Programm, das sämtliche Vorfälle und Anrufe protokollierte, die von der Wache bearbeitet wurden. Im Gegensatz zur Nationalen Datenbank war hier jeder Autodiebstahl, jede Körperverletzung und jede Ruhestörung innerhalb der Reviergrenzen vermerkt. Die persönlichen Daten des Anrufers wurden ebenso aufgezeichnet wie die des Opfers (im Polizeijargon »versehrte Person« oder VP genannt) und aller Zeugen und Verdächtigen, selbst wenn es nie zu einer Verhaftung oder einer Gerichtsverhandlung kam.
Für NOMAD hatte ich selbst ein Passwort, da ich bei Anfragen von Journalisten Zugriff auf die gewünschten Informationen brauchte. Aber
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