Der Preis des Schweigens
durch, und die Kartoffeln waren ein vorgekochtes Fertigprodukt, aber es war seit Jahren die erste Mahlzeit, die er selbstständig für mich gekocht hatte, daher war ich trotz allem gerührt.
Ich selbst war nämlich auch nicht gerade ein Ass in der Küche. Meist war ich es zwar, die abends kochte, aber mein Repertoire beschränkte sich auf gekochte Kartoffeln mit gebratenem Hühnchen oder Fisch und gedünstetem Gemüse. Hin und wieder brachte ich auch ein Currygericht oder eine Gemüsepfanne zustande, aber für ausgefallenere Rezepte fehlte mir die Geduld. Dan aß klaglos alles, was ich ihm vorsetzte, und lobte mich sogar dafür. Dieses Mal war es an mir, ihm Komplimente zu machen.
»Ich weiß, dass in unserer Beziehung nicht immer alles so läuft, wie du es dir vorstellst, aber ich werde mir von jetzt an Mühe geben«, versprach er. »Ich werde versuchen, ein bisschen romantischer zu sein. Du weißt, dass ich dich über alles liebe, aber manchmal fehlt mir einfach das Organisationstalent, um dir meine Liebe mit kleinen Gesten zu zeigen. Während der Schicht geht es oft drunter und drüber, und ich bin nun mal nicht so gut im Multitasking wie du. Das soll keine Ausrede sein. Ich weiß, dass das mein Schwachpunkt ist, und verspreche, dass ich daran arbeiten werde.«
Als Dan in der Küche die Himbeer-Pannacotta anrichtete, traf eine SMS von Justin ein, woraufhin ich an nichts anderes mehr denken konnte. »250 Pfund. Fahr zum Flughafen. 19 Uhr. Anweisungen folgen.«
Unter größten Mühen spielte ich für den Rest des Abends die perfekte Freundin und gab mich dankbar, zufrieden und sorglos. Es war die schauspielerische Leistung meines Lebens. Wir hatten versprochen, bei einer Silvesterparty in Gee Gees Bar vorbeizuschauen, wo die meisten Kollegen feierten, die heute keinen Dienst hatten. Danach wollten wir zu zweit in einen etwas ruhigeren Pub weiterziehen. Die Aussicht darauf, die ganze Nacht in Dans fröhliches Gesicht blicken zu müssen und dabei genau zu wissen, dass ich ihn belog, war beinahe unerträglich.
Die Party bei Gee Gees war der absolute Horror. Alle waren sturzbetrunken und amüsierten sich prächtig. Man tanzte ausgelassen oder begrapschte sich gegenseitig in den dunklen, stickigen Séparées, für die das Gee Gees bekannt war. Superintendent Sue Sellers verstellte mir auf der Toilette den Weg, um mir mit ihrer Reibeisenstimme zuzulallen, was für ein Glück ich doch verdammt noch mal hätte, einen Mann wie Dan mein Eigen zu nennen.
Noch nie hatte ich mir so sehr gewünscht, einen Raum zu verlassen. Ich wollte nur noch weg von all dem Glitzer und Lametta, von all den lachenden, kreischenden, sich gegenseitig anrempelnden und miteinander knutschenden Menschen mit ihren albernen Silvesterhüten. Ich wollte mit Dan in einem stillen Eckchen in einem altmodischen Pub sitzen und trinken und reden und lachen, wie wir es zu Beginn unserer Beziehung oft gemacht hatten.
Also brachen wir noch vor Mitternacht zum Old Station Pub auf und zwängten uns in eine Sitznische neben einen Mann, der als Ronald McDonald verkleidet war, und eine Frau, die als Batgirl ging. Als der Countdown bei null angekommen war und die Jukebox scheppernd »Auld Lang Syne« spielte, umarmte mich Dan stürmisch, den ein paar Gläser Bier in Stimmung gebracht hatten, nahm mein Gesicht in beide Hände, wie er es oft getan hatte, als unsere Liebe noch ganz frisch gewesen war, und sagte: »Ab jetzt wird alles gut, Jen. Das weiß ich. Wir haben schon so einen langen Weg miteinander zurückgelegt und dürfen nie wieder zulassen, dass uns etwas in die Quere kommt.« Dann küsste er mich, sanft und unendlich zärtlich.
Plötzlich musste ich ihn ganz fest umarmen, damit er nicht sah, dass ich innerlich zersprang, dass ich fast erstickte, weil ich die inzwischen vertraute Tränenflut zurückdrängen musste.
Später lag ich in Dans Arme gekuschelt im Bett. Es hatte angefangen zu schneien, und er schnüffelte an meinem Hals und sagte: »Wie ich das vermisst habe. Das ist das Beste am ganzen Tag, an jedem Tag. Frohes neues Jahr, mein Liebling.«
Kurz darauf war er eingeschlafen, während ich noch viele Stunden wach lag. Aber ich genoss die Wärme, die er ausstrahlte, und rührte mich daher nicht von seiner Seite.
Am nächsten Nachmittag, nachdem Dan sich verkatert und müde zu seiner Spätschicht geschleppt hatte, fuhr ich mit dem Auto nach Porthcawl. Mir blieben fünfzehn Tage, bis die nächste Zahlung fällig war. Fünfzehn Tage, um Justin zu
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